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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #220 vom 30.10.2000
Rubrik Neu erschienen, Reihe mit 7 Artikeln anzeigen

Various "Flashbacks Vol.1-6"

Musikstilmix-Anthologie der Jahre 1914-1947 – 6 einzelne CDs
(CD; Trikont)

Werner Pieper tat, was Harry Smith auch tat. Werner Pieper sammelte Songs. Obskuritäten, erotische Lieder, Antikriegssongs, Lieder über Drogen, Spirituals und Liebeslieder aus einer Zeit, die wir nur aus Geschichtsbüchern kennen. Der Zeitraum der 6-CD-Compilation "Flashbacks": 1914-1947. Und wie bei dem Standardwerk "Anthology Of American Folk Music" von 1952 wurde auch hier nichts ausgelassen. Der große Unterschied: Bei "Flashbacks" bildet Swing die Basis und findet eine stilübergreifende Ergänzung mit Spirituals, Folk, Blues, Country und – ja! – Pop. Dass diese Zeit enorm wichtig für die heutige Musik ist, hört man auf jedem der sechs Teile.
Auf Vol.2 "Novelty Songs (Crazy & Obscure)" lernen wir mit "Ta-Hu-Wa-Hu-Wai (Hawaiian War Chant)" von Spike Jones einen musikalischen Geniestreich kennen, der einige Stilmittel in 2:42 unterbringt. World-Beat-Fusion, wie es z.B. David Byrne auf "Feelings" einige Dekaden später verwendete. Oder: The 5 Jones Boys führten 1938 Mr. Ghost in die Stadt, 1988 kam Bobby McFerrin ziemlich happy daraus hervor und wiederum Spike Jones verarscht mit Spielzeuginstrumenten "Führer's Face".
Bleiben wir gleich beim Krieg: "American War Songs (Hitler & Hell)" zeigt, dass Amerika immer schon zwei Gesichter hatte, aber eben auch dieses auf Vol.6 verarbeitete Thema Freiheit, Gleichheit und Glück vs. Diktatur. Die Zeitspanne dieser CD umfasst die Jahre 1933-1947. Unterschiedliche Persönlichkeiten wie Lead Belly ("Mr. Hitler"), Bing Crosby & The Andrew Sisters ("Hot Time In The Town Of Berlin"), Rev. J.M. Gates ("Hitler And Hell") bis hin zu Walt Disney & Donald Duck ("Yankee Doodle") und The Golden Gate Jubilee Quartet ("Stalin Wasn't Stallin'") schufen Musikpanoramen, die hierzulande als entartet eingestuft wurden.
Dass ein gewisser Wesley Tuttle ein Lied namens "Smoke On The Water" einspielte, ist natürlich nur zufällige Namensgleichheit, mit "Coming In On A Wing & A Prayer" von Eddie Cantor lernen wir hingegen eine frühe Version dessen kennen, was Ry Cooder auf "Boomer's Story" (1972) neu verarbeitete.
Eine Klasse für sich ist auch Vol.1 "Drug Songs (High & Low)". Ella Fitzgerald, Cab Calloway, The Ink Spots, Gene Krupa, Dick Justice und viele mehr sangen über ein Thema, das eigentlich nicht besungen werden durfte. Harry Anslinger setzte durch, Kokain, Zigarren, Alkohol, Marihuana, Heroin, Coca Cola, Kaffee etc., aus Liedtexten zu verbannen. Jene, die sich nicht daran hielten, bekamen keine Musikerlizenz (die ausführlichen Liner Notes geben darüber weitere wertvolle Auskunft).
Der dritte Teil "Copulation Blues (Hot & Sexy)" behandelt Erotik, Vol.4 als "Heart Breakers (Blue & Lonely)" betitelt widmet sich der unglücklichen Liebe und der Sehnsucht. 1928 bereits wurde "My Handy Man" besungen :-) Ethel Waters fand ihn erotisch. Na ja. Beide CD's beinhalten jedenfalls (Blues-)Songs, die am Ende der Sklaverei entstanden sind und von der einzigen Lebensfreude der Unterdrückten erzählen, nämlich Sex. Aber nicht nur die Songs klingen aufregend, auch die Namen der Musiker, lasst sie euch auf der Zunge zergehen: Frankie Halfpint Jaxon with the Harlem Hamfats, The Light Crust Doughboys, Mezz Mezzrow, The Hokum Boys.
Fehlt noch Vol.5: Das Wort zum Sonntag "Halleluja (Gospel & Prayers)" führt uns zur aufregendsten Musik, die in dieser Qualität schon lange nicht mehr existiert. Thomas A. Dorsey z.B., ursprünglich ein "simpler" Blues-Musiker, fand die Erleuchtung nach mehrjähriger Depression und schrieb eine Unzahl Gospel, die lange Zeit auf Ablehnung stießen. Bob Dylan nicht unähnlich. Und wenn jemand glaubt, dass Rap erst vor ca. 30 Jahren entstand, braucht sich nur "My Time Done Come" vom Golden Gate Quartet aus dem Jahr 1942 anhören. Groove und Rhythmus waren schon da, die Umsetzung freilich ging noch ohne elektronische Hilfsmittel vonstatten.
Fazit: 115 Songs, auf 6 CDs verteilt, die wie die Harry Smith-Compilation in keiner Sammlung fehlen sollten. Jede CD ist übrigens einzeln beziehbar. [mh: @@@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


Permalink: http://schallplattenmann.de/a105974


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