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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #315 vom 14.10.2002
Rubrik Neu erschienen

Various "The Kinski Files"

Dancefloor – Wir sind so wild nach seinem Erdbebenmund
(CD; BMG Ariola)

Das große geniale Gesamtkunstwerk, der poetische Polarisierer, besessene Rezitator, ver-rückteste unter den deutschen Schauspielern, er, den die Schmetterlinge liebten ("Mein liebster Feind"), entert posthum Tanzflächen und Turntables. Der Zorn Gottes ("Aguirre") als Erlöser? Klaus Kinski ist Kult.
So war es nur eine Frage der Zeit, bis Exzerpte, z.B. aus der spektakulären Aufführung "Jesus Christus der Erlöser" (1971) den Weg in die Clubs finden. Die auf dem Album versammelten Zauberlehrlinge (aus HipHop und artverwandtem Gewerbe) finden in Kinski schnell ihren Meister. Er hat was sie gerne hätten: etwas zu sagen, Authentizität, ein Lebenskonzept, den Mut zur absoluten Hingabe, eine resolute Wut – ja, sogar ein Anliegen. Rap und Slam-Poetry, lange bevor das alles so hieß. Die stampfenden Beats (Sash, Yanou), epischen Annäherungen (Thomas D), wabernden Ambient-Gespinste (Talla 2XLC), uninspirierten Chill-Out-Verirrungen (Schiller), postmodernen Euro-Trance-Petitessen (U96, Mijk van Dijk, Oliver Lieb), oder debilen Inkarnationen von HipHop (Ferris MC & Tobitob) hebeln sich selbst aus – bleiben unbeholfen. Das liegt nicht einmal nur an der Idee, beinahe identische Kinski-Samples für die Tracks zu verwenden. Die CD hat schlicht musikalisch nichts Ãœberzeugendes zu bieten. Zuviel Gewolle und (dann doch) zuwenig Kinski.
Unter dem Primat des Zitats, des Unauthentischen, und des allmählichen kulturellen wie individuellen Rückzugs in persönliche Autismen, hätte die Platte vielleicht bei inspirierterer Text- und Tonauswahl funktioniert.
Immerhin ermöglicht diese Various-Artists-CD auf das hommagierte Original hinzuweisen: unremixt, ungezähmt, ungekürzt, unverpixelt, pur. Nachdrücklich empfohlen werden: "Klaus Kinski" (liest Dostojewski, Nietzsche, Baudelaire, Villon und afrikanische Dichtung), der Theater-Mitschnitt "Romeo und Julia", "Fieber. Tagebuch eines Aussätzigen" (Ben Becker spricht Klaus Kinski), und natürlich "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund".
Buch-Tipp am Rande: "Kinski Uncut. The Autobiography of Klaus Kinski" by Klaus Kinski & Joachim Neugroschel. [gw]


Permalink: http://schallplattenmann.de/a109607


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