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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #459 vom 24.10.2005
Rubrik Neu erschienen

Deep Purple "Rapture Of The Deep"

Hard Rock – besser als zu erwarten, das nächste Mal bitte innovativer
(CD, LP; edel)

Heute spielt Deep Purple in der achten Besetzung (für Kenner: Mk VIII). Und noch mit "Rapture Of The Deep" zehren sie von der Legende, die sie einst waren. Nämlich in der Mk II Besetzung, die Ende der 1960er Jahre in der Londoner Royal Albert Hall Klassik mit jazzigem Hard-Rock wirkungsvoll verband und das Genre des Hard-Rock selbst mit extremer Aggressivität und höchster Musikalität neu definierte:
Ian Gillan an den Vocals ein kosmischer Tarzan, Roger Glover eine riesige Ratte am treibenden Bass, Jon Lord der Bachophile und Virtuose an der Hammond-Orgel, Ritchie Blackmore ein Catweazle mit ausgefrästem Stratocaster-Hals unter den Fingern, Ian Paice der halbblinde und jazzigste aller Hardrock-Drummer.
Und noch heute, im 37. Bandjahr, sind Roger Glover, Ian Gillan und Ian Paice dabei. Relative Neuzugänge sind Gitarrist Steve Morse, amerikanischer Hypertechniker, der auf seinen bunten Soloalben schon immer Jazz, Klassik, Country und Heavy rasant verband, und jüngst Keyboarder Don Airey aus Ritchie Blackmores besten Rainbow-Tagen. Kurz: Ein Altherrenclub, eine Rentnerband, wie mein Kollege Sal konstatierte. Leider stimmts. Shouter Ian Gillan hat die zarten 60 Jahre längst erreicht.
Jedoch sind sie nicht allein: Die Stones, Paul McCartney und ex-Led Zeppelin-Sänger Robert Plant haben neue Alben raus, The Who arbeiten dran. Dann dürfen Deep Purple auch. Und so oft ich die Schamgrenze schon durchbrochen sah, wenn ich nur das sonnenstudiogebräunte Gesicht Ian Gillans sah und seine immer wieder schwächelnde Stimme hörte, so sehr bin ich nun überrascht.
Die neu gewürfelte Band spielt mit hörbarer Freude, kompakt, bärenstark im Rhythmischen. Fette Bässe und feister Wums. Ian Gillan hat seine Themen aktualisiert, in "Before Time Began" singt er über islamistische Attentäter. Steve Morse spielt seine Soli nach wie vor wie ein Comic - virtuose Striche, aber der Gefühlsausdruck immer gleich: verdammt flinke Leere. Hier fehlt mir die wilde Leidenschaft und der einzigartige Sound von Ritchie Blackmore am deutlichsten. Der brachte nebenbei auch einfallsreichere Riffs und inspirierte Melodien mit. Die heutigen Riffs klont sich die Band aus eigenen 1970er Hits und variiert sie in hyperventilierter Version. Don Airey hört man sein Bemühen an, mit einem digitalisierten Hammond-Sound der Legende Jon Lord beizukommen. Das ist okay. Mehr nicht. Das interessanteste Stück auf "Rapture Of The Deep" ist für mich das erwähnte "Before Time Began"; hier klingen sie für eine Minute wie Bob Dylan. Sehr reizvoll.
Ziehen wir einen Strich: Deep Purple bleiben auf ihrem 18. Studioalbum über den niedrigen Erwartungen. Zu verlangen, dass sie sich nicht mehr auf ihre legendäre Vergangenheit beziehen sollten (Stichwort: selbstgeklonte Songstrukturen), das wäre vielleicht zuviel verlangt. Aber ich wünsche mir das: Seid innovativer! Ihr braucht euch nur deutlicher zu erinnern – Hardcore-Fans, tut das auch mal! – an die reizvollen, harmonischen Wendungen in "Super Trouper", die innovativen Sounds in "Demon's Eye" und an stilistische Kuriosa wie "April" (Klassik), "Wring That Neck" (Jazz) oder "Anyone's Daughter" (Country). Diese Inspiration und Qualität ist leider schon seit 1984 weg, als Deep Purple nach achtjähriger Pause in der legendären Mk II-Besetzung zurückkamen.
Jetzt seid ihr 60, jetzt ist Zeit, mutiger zu handeln. Raus aus den eigenen Klischees! Vielleicht könnt ihr Ritchie Blackmore bei der Gelegenheit sein Oberlippenbärtchen abrasieren und von seinem esoterischen Blackmore's Night-Hormonschock befreien. Wunder sollen ja geschehen. [vw: @@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


Permalink: http://schallplattenmann.de/a113806


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