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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #501 vom 11.09.2006
Rubrik Texte - lesen oder hören

Pe Werner "Dichtungen aller Art"

Worte und Musik – In der Fruchtblase entschlossen nett zu sein
(CD; WortArt/Random House Audio)

Im Herbst 1992 rollte unser Tourbus Richtung Süden. Ich, der Gitarrist, sitze mit unserem Bassisten und Sänger Kai Wrede vorn. Die A3 nass und schwarz vor uns. Eine Sakro-Popband im Tour-Alltag. Kai stimmt plötzlich ein Lied namens "Trostpflastersteine" an. Ein Lied wie ein Schnuffeltuch. So habe ich die Sängerin, Songwriterin und Kabarettistin Pe Werner, mittlerweile 46, kennengelernt.
Jetzt höre ich Pe Werners neues Programm "Dichtungen aller Art". Und mir fällt spontan eine andere Begebenheit ein: Als ich einen Lesetipp für ein Magazin abgeben sollte, schrieb ich "Der jüdische Texaner Kinky Friedman...". Die Redakteurin redigierte den Anfang wie folgt: "Der Texaner Kinky Friedman...". Pe Werner, so scheint mir, hätte die Redakteurin sein können. Denn ihre "Wortspielreise" ist auf sonderbar schönem Schnuffelkurs: Pe Werner kennt nicht den 5. Jahrestag von 9/11, nicht den Bush-Krieg, nicht den Terror, nicht die Gesundheitsreform, kennt keine Rentenlücke, kein Hartz IV, keinen Kindermangel, keine türkischen Eltern von Freunden, die seit 40 Jahren in Deutschland leben, kennt keine Kinderverschleppung, keine fürs WM-Fieber eingeführte Prostituierte aus Osteuropa. Nein, Pe Werner berichtet aus ihrer privaten Welt, sie, die Musikerin auf Tour. Pinke Pudeltaschentexte stellt sie neben lila Liedermacherlaune: Da ist die Minibar auf dem Hotelzimmer der Schatz des Hotels zum Apothekenpreis; Pe Werner spricht von Backgroundschlamperei in schwarzem Kostüm, das dann auch für die Beerdigung zu verwenden war; und Pe Werner freut sich: "Sollte mein Gesicht irgendwann nur noch Faltenrock tragen, so will ich weder murren noch knurren, sondern still und zufrieden in mich hineinlächeln, wissend du bist zwei Jahre jünger als Madonna".
Diese sprachlich hochgradig ausgebufften, inhaltlich belanglosen Texte trägt Pe Werner leider auch noch mit Hörzeichen zum Lachen vor: Da kugelt sich die Stimme kurz vor der Pointe. Ansonsten bemüht sie sich als flippig-frisch-frecher Backfisch herüberzukommen. Wäre ich Sigmund Freud, so lautete mein Urteil: Dies Mädchen "hat sich schon in der Fruchtblase entschlossen, nett zu sein" (Zitat: Pe Werner).
"Dichtungen aller Art" hat mich dermaßen verblüfft, dass ich Pe Werner nach mehrmaligem Hören des Programms eher im Werbe-Business ansiedeln würde, neben Marcus Loeber, der Coca-Cola und Co. die Schnuffel-Jingles komponiert, uns kurz vor der Tagesschau die nette Welt destilliert. Aber halt! Sie hätte auch Sängerin in unserer Sakro-Pop-Band Kontakte sein können.
Wenn Pe Werner bei mir so ein Drücken im Bauch verursacht, bei wem kribbelt es dann? Bei Bülent Ceylan, Hagen Rether, Rolf Miller, Fanny Müller... denn deren Humor ist auch mal bitter-böse, wie die Welt, die wir alle teilen. [vw: @]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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