Hinweis: Ihr Browser unterstützt nicht alle grundlegenden Web-Standards, und deshalb sehen Sie diesen Hinweis und das Layout nur in Auszügen. Bitte verwenden Sie einen aktuelleren Browser.

Keine Anzeige
LogoSeit 1996: Aktuell und unabhängig!

[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #578 vom 07.04.2008
Rubrik Texte - lesen oder hören

Thomas Meinecke & Move D "Flugbegleiter - Ãœbersetzungen/Translations"

Hörbuch, gekürzte Lesung mit Musik – Love me gender oder: Woraus ist gemacht, womit wir uns um- und abgeben?
(2CD; Intermedium)

Thomas Meinecke ist ein Minderheitenautor, einer der Tiefe mehr Beachtung schenkt als Oberflächen, einer der seine Protagonisten ernst nimmt. Und er ist Musiker (F.S.K.), was ihn auch zum guten Zuhörer macht. Als Zerleger und Neubenenner widmet er sich der Entschlüsselung unserer semantisch codierten Welt und fragt: Woraus ist gemacht, womit wir uns um- und abgeben?
Dabei geht er vor wie ein DJ, der einen Set kreiert, dabei materialisieren sich literarische Projektionen musikalischer Sampling-Techniken mit weniger postmodernen als postironischen Stimmungen. »Move your head and your ass will follow.« Der Text als Mix, als Essay-Fragment. Pop ist wie Internet und umgekehrt. So erhalten Meinecke-Texte eine atmosphärische Nähe zu Alexander Kluge oder Thomas Bernhard.
Seine Geschichten um schwebende Stillstände sind gut getrocknet und genau beobachtet, funktionieren wie Nachtsichtgeräte, bestehen hauptsächlich aus Diskursen und verzichten auf Erzählkonventionen. Sein markanter Stil ist von »hypotaktischen Satzsystemen, Manierismen und Zuschreibungsorgien« geprägt, durchzogen von einem musikalischen Rhythmus. Erzählen, nachdenken, zitieren, copy.
Tschi-ih-en-dee-ih-aar. Nachdem sich Thomas Meinecke in "Tomboy" bereits Pop-Codes, der sozialen Konstruktion der Frau, der Gender-Debatte und dem Feminismus (auch dem männlichen) widmete, bleibt er diesem Thema in "Musik" treu. Die Versuchsanordnung wurde verändert, seine Protagonisten haben nun andere Trabanten und Umlaufbahnen, Fragezeichen der Popkultur andere Farben, über Geschlechterrollen wird jedoch nach wie vor reflektiert, rekapituliert und diskutiert. Im Hörbuch "Flugbegleiter" (das zeitgleich mit dem neuen Roman entstand) stellt Thomas Meinecke die einfach zu stellende und schwer zu beantwortende Frage: Was ist eigentlich ein Mann?
Karol und seine Schwester Kandis arbeiten als Flugbegleiter bei der Lufthansa. In seiner Freizeit widmet sich Karol den Entschlüsselungen und Neubenennungen heutiger Musik. Ihn beschäftigt die Frage, was eigentlich vorfällt, wenn einer Musik vorgeworfen wird, sie sei zu süß. Karol gerät in den Bann der Queer Music, begeistert sich für die Ästhetik des Camp, die er gemeinsam, teils in einem dezenten Liebesreigen, teils mittels theoretischer Lektüren und Erörterungen, mit seinen Kolleginnen Heidi, Ashley, Kristina und Felix in diversen Hotelzimmern der Welt auslotet. Auch die Geschichte des Dress-Codes weiblicher Flugbegleiter macht ihm zu schaffen.
Meinecke plaudert, Move D begleitet (mit zitatreichen und vor allem coolen Kompositionen). Auf CD lässt sich dieser jetsettende Diskurs nicht abschließend klären und dürfte zum Erwerb des Buches führen.
Die zweite CD "Übersetzungen/Translations" wird für viele (mich eingeschlossen) eine Jandl-Studiospielerei bleiben. Malen nach Zahlen. Sampling mit Buchstaben. Im Kommunikationszeitalter kann es eben zu Kommunikationsproblemen kommen. Sei es, weil man schlicht den Code nicht (er)kennt, oder nach gänzlich Abwesendem fahndet.
Ausgangspunkt der Produktion von David Moufang alias Move D und Thomas Meinecke war die Idee ein Hörwerk zu schaffen, bei dem nicht zuerst ein Text existiert, sondern eine abstrakte Musik. Alle ihre gemeinsamen Stücke basierten bisher auf literarischen Schriften von Tee-Ha-O-eM-A-eS eM-E-I-eN-E-Cee-Ka-E, nicht selten dekonstruktivistisch mit den elektronisch generierten Pattern von eM-Ou-Vie-i Di verwoben.
Die nun neu entstandenen Übertragungen von verspielten surrealen Vexierbildern (Englisch, Deutsch) wurden zu einem Club-tauglichen Wörterbuch mit musikhinterlegten Buchstabenkolonnen (u.a. aus den Wörtern Osterglocke/Daffodil, Ursula Andress, Mini Cooper, Henry Kissinger), die zwischen buchstabiertem und gesprochenem Wort unterscheiden. Es ist was es ist und so wie der Zuhörer Ü-Be-E-eR-eS-E-Te-Zet-U-eN-Ge-E-eN (Übersetzungen) bzw. Te-aR-Aei-eN-eS-eL-Aei-Te-aI-Ou-eN-eS (Translations) dekodieren wird.
Immerhin machen diese semantischen Deklinationen nicht weniger Sinn als so mancher Songtext und da Ostern erst kürzlich vor der Türe stand, passen O-eS-Tee-E-eR-Ge-eL-O-Ce-Ka-E-eN und Di-Aei-eF-eF-Ou-Di-aI-eL-eS wunderbar dort hin. [gw: @@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


Permalink: http://schallplattenmann.de/a116782


(cc) 1996-2016 Einige Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte zu http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.

http://schallplattenmann.de/artikel.html
Sprung zum Beginn der Seite