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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #582 vom 05.05.2008
Rubrik Texte - lesen oder hören

Louis-Ferdinand Céline / Michael Farin "Reise ans Ende der Nacht"

Hörspiel über das Chaos Mensch oder: Das Licht der Hoffnung, erloschen
(5CD; Hörverlag)

"Voyage au bout de la nuit", wie "Reise ans Ende der Nacht" im Original heißt, ist das Zeugnis eines umfassenden Deliriums. Ein Monument menschlicher Zerrissenheit, ein Panorama der Absurditäten des Lebens, eine Dekonstruktion aller Werte, eine permanente Ohrfeige für jeden und alles, ein Fragezeichen hinter der Zukunft der Vernunft, ein Meteorit der Weltliteratur und wie schwerer Wein. Über seinen Verfasser schreibt Rolf Vollmann: »Céline war politisch ein völliger Idiot, unbelehrbar auch; aber er hat eben diesen hinreißenden, autobiographischen Roman geschrieben.«
Was man mit den Augen und Ohren des Medizinstudenten und späteren Armenarztes Ferdinand Bardamu erlebt, ist eine nihilistische Lebensreise durch das Schlachthaus Erster Weltkrieg, durch psychiatrische Kliniken, die Kolonien in Afrika, New York und zurück in die trostlosen französischen Vorstädte. Eine Tour von der Anarchie zur Gleichgültigkeit, vom Leben in den Tod. Mit viel Drive prallen in diesem komplexen Werk Schriftsprache, zerbrochene Sätze, Grobheiten und Satire ungeschützt auf wohlanständige Sprechblasen und tiefschürfende Weisheiten.
Das große Plus bei Célines "Reise" ist, dass seine Zuhörer mit Bildern, Eindrücken und Wahrnehmungen versorgt werden und nicht mit Thesen, Theorien und Manifesten – und dies gilt in gleicher Weise für die ambitionierte, kluge Hörspieladaption von Michael Farin ("Der Totmacher", "Rosa - Die Akte Rosa Peham") und Ulrich Lampen ("Combray", "Der Zauberberg"). Dafür sorgt die Musik von Zeitblom ebenso wie die herausragenden Qualitäten der Sprecher um Felix und Florian von Manteuffel, Rainer Bock, Jens Harzer, Katharina Schubert und Marina Galic. Ob die Lust an diesem langen Hörspiel auch etwas mit Nihilismus zu tun hat, wäre zu klären.
"Reise ans Ende der Nacht", dieser wilde Aufschrei von 1932 und wütende Rundumschlag gegen die Verkommenheit und Gleichgültigkeit einer Welt, die ihre Rechnungen auf Kosten der Armen und Verlierer begleicht, trifft auch auf die nicht wesentlich anders funktionierende Welt von heute zu, in der Profit alles, das Individuum laterale Manövriermasse ist. Nach dem Ende der Nacht bleibt es wohl auch ohne Klimakatastrophe finster. Für das Chaos Mensch scheint das Licht der Hoffnung zu verlöschen. [gw: @@@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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