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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #582 vom 05.05.2008
Rubrik Texte - lesen oder hören

William Gibson "Cyberspace"

H̦rbuch РBilly the Kick oder: Wer hat die Liebe von der Festplatte gel̦scht?
(2CD; Audio-Verlag)

Im März 2008 ist William Gibson sechzig Jahre alt geworden. Ein Anlass dem sogenannten Cyberpunk-Autor, der nach einer Pause mit "Pattern Recognition" (dt. "Mustererkennung") und "Spook Country" (dt. "Quellcode") wieder zwei neue Werke veröffentlichte, auch auf Scheibe etwas folgen zu lassen. Der Audio Verlag, der sich 2003 mit der bedeutenden Hörspielfassung von Gibsons Debütroman "Neuromancer" verdient gemacht hat, legt mit "Cyberspace" nach. Leider nichts Neues.
Bei der von David Nathan (Synchronstimme von Johnny Depp) gelesenen Hörbuch-Fassung setzt man auf drei teilweise verfilmte Kurzgeschichten, die prima in die vom Autor skizzierte Cyberwelt passen, auch vom Titel recht gut klingen, aber als autonome Stories nur mäßig überzeugen. "Burning Chrome" und "Johnny Mnemonic" (beide später mehr oder weniger Gerüstteile von "Neuromancer") sowie das pathetische "New Rose Motel" lassen ebenso kalt, wie die abweisenden Neonlichter, die in und über diesen Zukunftssplittern zwischen Weltmüdigkeit und Pseudo-Weisheiten summen.
Dass die nach dem Hype um "Neuromancer" (1984) hastig zusammengestellte Kurzgeschichtensammlung "Burning Crome" (dt. "Cyberspace"), die eigentlich nur die Erfolgsflamme am Brennen halten sollte, neben Mittelmaß durchaus auch erstklassige Science Fiction zu bieten hat, kann man nur dort nachlesen. Glanzlichter wie "Hinterlands" oder "The Gernsback Continuum" sind auf dieser CD nicht zu finden, da sie populäre Cyber-Pfade verlassen, auf Consolen-Cowboys verzichten und somit keine Trendliteratur darstellen.
Zurück in den "Cyberspace" und zu den drei zuerst genannten Stories, die in der Zwielichtzone zwischen Disneys "Tron" und William Burroughs "Naked Lunch" glimmen. Auch wenn die Protagonisten in "Burning Chrome" und "Johnny Mnemonic" längst die Liebe von ihrer Festplatte gelöscht haben, reales Leben nur noch ein Schatten ist und man diesen pubertären Daten-Junkies mit der Oberflächensensibilität von Packeis oder Cyber-Zombies mit dem Charme von kaltem Fisch und einer neurologischen Direktverbindung zwischen Computer und Hirn lieber gar nicht erst über den Weg läuft, ist es immerhin interessant dem Personal späterer Gibson-Werke im Trainingslager zuzusehen. Man muss allerdings hinnehmen, das der Autor oft selbst noch im Entwurfsstadium seiner düsteren Horror-Dekoration suchend herumturnt.
In "Burning Chrome", "Johnny Mnemonic" und "New Rose Motel" geht es selten um Romantik; wenn doch, dann um jene, die mit Verlust, Betrug und Scheitern einhergeht. Es ist die Welt skrupelloser Multi-Konzerne und ihrer Agenten, die um Software und Märkte kämpfen und in der sich ausgeflippte Freaks Ware beschaffen oder sich gegenseitig abjagen und Bioimplantate auf dem Schwarzmarkt verschieben wie Drogen. Man begegnet Squids, Ono-Sendai, Simstims, Matrix-Simulatoren, Zeiss-Ikons, dem Idiot-Modus oder den Lo Teks. William Gibsons Episoden aus einem künftigen High-Tech-Zeitalter leben von Produktnamen, liquiden Stimmungen, Flüssigkristalloberflächen, Detail-Obsessionen, Übertreibungen zeitgenössischer Trends und der Absenz von 'normalen' Menschen. Willkommen in der Anstalt. [gw: @@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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