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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #618 vom 23.02.2009
Rubrik Texte - lesen oder hören

Blixa Bargeld "Europa kreuzweise. Eine Litanei"

Texte – literarisch-eigenwilligen Tour-Erinnerungen von Neubauten-Sänger Blixa Bargeld
(brosch.; Residenz)

Zwei Monate lang führte die Tournee der Einstürzenden Neubauten deren Sänger Blixa Bargeld kreuz und quer durch Europa – eine als beinahe endlos empfundene Wiederholung des immer Gleichen: fahren, warten, Soundcheck, Auftritt, Hotel, fahren, warten. Blixa Bargeld hat daraus ein Buch gemacht; sein erstes, wenn man von Veröffentlichungen seiner Liedtexte absieht. Sein Stilmittel ist die Redundanz, die Wiederholung des gleichförmigen Tour-Alltags. Andere notieren ihre Tour-Erlebnisse in einem Blog, Bargeld macht sie zu Literatur und spart aus, worüber die anderen schreiben – die Auftritte, Anekdotisches, Treffen mit Fans oder das Verhalten der Bandkollegen. Bargeld berichtet über die Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten des Tour-Lebens, wie es ihm beim Reisen in Bus, Bahn und Flugzeug ergeht, wie er die Hotels empfindet und immer wieder seine beständige Suche nach Gourmet-Restaurants.
Der Text ist – natürlich – keine Litanei. Dafür fehlt ihm mehr als die sakrale Grundlage. Aber er basiert auf deren prägendem Stilmittel, der Wiederholung. Diese wird bei Blixa Bargeld, anders als die Redundanz eines Thomas Bernhard, auch dann rasch langweilig, wenn man weiß, dass der Text kein Erlebnisbericht ist. 50 Prozent davon, sagte der Autor in einem Interview, seien erfunden. Nun ist es müßig aufzuspüren, welche 50 Prozent es sind. Es ist egal, ob der reale Bargeld der Spießbürger ist, der sich darüber beschwert, dass der Kaviar im Moskauer Hotel »inzwischen richtig Geld« kostet, oder seine Kunstfigur. Und es ist für die Beurteilung des Textes unwesentlich, ob er zumindest mental nicht doch zur von ihm verachteten Klasse der – wie er sie nennt – »Businessmenski« zählt. Immerhin fährt Bargeld in Spanien problemlos fast 170 Kilometer mit dem Taxi, um im »besten Restaurant der Welt« überwiegend japanische Spezialitäten zu essen. »Die Taxifahrt war teurer als unser Dreißig-Gänge-Menü«, berichtet er, und dass er für das zweitbeste auch schon auf der Gästeliste steht. Vielleicht ist das ja erfunden – aber auch dann ist es nicht besonders originell.
Wäre es nicht das Konzept des Verlags, die Litanei als literarische Form einzusetzen, könnte man immerhin das dem Künstler als bemerkenswerten Ansatz zuschreiben. So beschränkt sich die Wertschätzung auf sein Konzept, vornehmlich über das zu schreiben, was nicht erwartet wird. Aber das ist doch das Mindeste, was man von einem Künstler wie Blixa Bargeld erwarten darf. [noi: @@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


Permalink: http://schallplattenmann.de/a117717


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