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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #630 vom 25.05.2009
Rubrik Kolumne

Sal's Prog Corner #80

Juchu, ich bin in Urlaubsstimmung: Wenn diese Zeilen erscheinen, strolche ich schon mit meiner Lebensgefährtin durch die hoffentlich sonnige Normandie. Aber auf meinen Schreibtisch stapeln sich noch die aktuellen Neuerscheinungen der letzten Wochen: 'Ne Menge Zeugs ist hier eingetrudelt, das meiste davon ist wirklich nicht der Rede wert. Aber ausgerechnet vom Label-Platzhirsch InsideOut (von den Fans geliebt, von den Kritikern oft gescholten) liegen drei gelungene und interessante Titel vor, dazu ein enteckendswerter ProgMetal-Tipp. Außerdem ist mir noch eine CD in die Hände gefallen, bei der ich eine veritable Warnung aussprechen möchte. Nicht alles, was einen großen Namen trägt, ist wirklich großartig oder auch nur hörenswert.
Den Lesern wünsche ich also viel Spaß beim Lesen und Nachhören. Ich glaube, ich nehme mir gar keine Musik mit und mache den Kopf eine Woche lang frei für neue Rezensionen, bis dahin: Keep on proggin... [sal]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Long Distance Calling "Avoid The Light"

New Art-Rock mit internationalem Format aus Münster
(CD; Superball)

Psychedelisch angehauchte New Art-Rock-Klänge im Stile der frühen Porcupine Tree haben einen guten Stand bei den Fans: Bands wie Riverside, Amplifier oder Oceansize spielen betont rockige, aber auch ausladende, elegische Kompositionen – genau das Richtige, um zu 'chillen' (würden meine knapp 20-jährigen Bekannten sagen).
Das Münsteraner Quintett Long Distance Calling schlägt mit seinem dritten Longplayer "Avoid The Light" genau in diese Kerbe: Ambient-Keyboards umhüllen variable Gitarren-Sounds, die kunstvoll übereinander geschichtet werden und mit einer druckvollen Rhythmus-Formation zum Gesamtsound der Band vereint werden.
Bemerkenswert: Long Distance Calling verzichten auf dem Album mit einer Ausnahme ("The Nearing Grave" mit Gastsänger Jonas Renkse von Katatonia) auf einen Sänger, bei den Mitstreitern im Genre oft das Identifikationsmerkmal der Band. Das Album überzeugt dennoch mit einem schönen Überblick über die Bandbreite der Truppe, von ruhig-getragen bis stark Riff-betont (exemplarisch durchgeführt auf "I Know You, Stanley Milgram!").
Long Distance Calling sind eine erfreuliche Ãœberraschung aus deutschen Landen – ein Name in diesem Genre, den man sich merken sollte, auch jenseits der Grenze. [sal: @@@]


IQ "Frequency"

NeoProg/Progressive Rock – Nahtloser Neuanfang, gelungene Wiederkehr
(CD, CD+DVD; InsideOut)

Fünf Jahre nach ihrem düsteren Meisterwerk "Dark Matter", dem vielleicht besten Album der britischen Band IQ, meldt sich das Quintett mit dem neuen Album "Frequency" wieder zurück. Hierauf ist die Band auf zwei Positionen neu besetzt: Andy Edwards ersetzt den Ur-Drummer Paul Cook (der aber bei der aktuellen Tournee wegen einer Babypause Edwards' wieder mit an Bord ist) und vor kurzem beendete Martin Orford seine Karriere als Keyboarder der Truppe, kurz darauf auch als Solist. Für ihn spielt nun Mark Westworth Keyboards. Wenn zwei Gründungsmitglieder ausscheiden, dann kann das fatale Folgen für eine Band haben, aber IQ haben die beiden Weggänge gut verarbeitet und Fingerspitzengefühl bei der Neu-Besetzung der Posten bewiesen: Die Neuen fügen sich gut in den Gesamt-Sound der Band ein, bringen neue Impulse aber en gros bleiben IQ sich selbst treu, etwas moderner vielleicht.
"Frequency" fügt sich nahtlos in die Reihe der sehr guten 'späten' Veröffentlichungen nach der Rückkehr des Stammsängers Peter Nicholls (1993, auf "Ever") ein. Wenn sich auch bei vielen Bands der ersten und zweiten Prog-Welle (erste Hälfte der 1970er respektive 1980er Jahre) starke Abnutzungserscheinungen eingestellt haben, sind IQ alles andere als eine Band, die ihre besten Zeiten weit hinter sich liegen hat: ein starkes Comeback in die vorderste Reihe der Progressive-Rock-Bands. [sal: @@@@]


Eric Woolfson "Eric Woolfson Sings The Alan Parsons Project That Never Was"

AOR/Soft Rock – Eric Woolfson zeigt, warum das Alan Parsons Project nicht das Eric Woolfson Project hieß
(CD; Limelight)

Eigentlich hat Eric Woolfson mit 'Progressive Rock' nicht viel am Hut. Selbst das exzellente Alan-Parsons-Project-Debüt "Tales Of Mystery And Imagination" ist nur im weiteren Sinne 'proggy', aber die aufwendigen Arrangements und das stimmige Konzept machten die Scheibe zum Kult-Album, auch unter Prog-Fans. Danach entfernte man sich schnell und zielstrebig von komplexeren Musik-Strukturen und produzierte themenbezogene Soft-Rock-Alben, die eine Weile sehr populär waren. Doch das ist lange her und mittlerweile können sowohl der Namensgeber Parsons, als auch der Haupt-Songwriter Woolfson nur noch auf Nilhochwasser warten (sprich altes Material überarbeitet wiederveröffentlichen), ihre Flamme ist erloschen.
Quasi als ein Nebenprodukt der Suche nach Bonus-Tracks für die unlängst remasterten Wiederveröffentlichungen der klassischen APP-Scheiben erscheint nun "Eric Woolfson Sings The Alan Parsons Project That Never Was", eine Sammlung alter Demo-Aufnahmen, ein bisschen aufgemotzt und leidlich fertig produziert. Schnell wird klar, warum es die zehn Songs nie auf ein Album geschafft haben: Mit einer Ausnahme ("I Can See Round Corners") sind alle Songs deutlich schwächer, als das gewohnte Project-Material oder schlichtweg Selbst-Plagiate bekannter Nummern. Dazu kommt Woolfsons limitierter und eintöniger Gesang und eine zweidimensionale Produktion. Mag sein, dass Woolfson der wichtigere Song-Autor der beiden war, in Sachen Sound und Produktion kann er Parsons bei seinen Nachbesserungen nicht einmal annähernd das Wasser reichen. Das Album ist schlichtweg sterbenslangweilig, selbst für einen nostalgischen APP-Fan wie mich. Ein guter Song reicht einfach nicht aus, um den Kauf wirklich empfehlen zu können. Nur für unverbesserliche Fans. [sal: @]


Devin Townsend Project "Ki"

Progressive Rock – Ãœberraschung, Ãœberraschung!
(CD; InsideOut)

Devin Townsend? War das nicht dieser leicht irre Gitarrist/ Multi-Instrumentalist, der gerne mal Geschwindigkeit, Komplexität und Lautstärke seiner Musik bis zum Anschlag aufdreht (wie auf "Accelerated Evolution", 2003) , bisweilen mit schrägem Humor versetzt (wie auf "Ziltoid The Omniscient", 2007)? Nun, egal mit welchem Klischee ich den Kanadier bisher belegt habe, auf "Ki" macht er (fast) alles anders und das faszinierendste dabei ist: Es klingt immer noch 100%ig nach Devin Townsend.
"Ki" ist so facettenreich, wie kein anderes Album unter seiner Federführung: Es schwebt im Ambient ("Ki"), es groovt ("Coast"), es wummert bedrohlich aus meinen Boxen und für ein paar Takte bricht die Metal-Ader von 'Heavy Devy' heraus (auf "Disruptr"), dann stolpert man über eine waschechte Rockabilly-Nummer ("Trainfire"), dass man kaum seinen Ohren trauen mag. Dazu mischt er mit seinen Mitstreitern ausdrucksstarken Alternative Rock ("Gato", stark mit der guten Gast-Sängerin Ché Dorval), bringt mit "Lady Helen" eine gefühlvolle Ballade (!!) und mit "Quiet Riot" sogar eine Folk-Nummer – kurzum: Ein (post-)modernes Album, auf dem die Stile wild durcheinander gewürfelt sind, aber von Townsend genial und stimmig zusammengefügt wurden. Hier wächst natürlich zusammen, was man vorher nicht unbedingt als zusammengehörig empfand. [sal: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Heart Of Cygnus "Over Mountain, Under Hill"

Progressive Metal – Die neuen Stars der Szene?
(CD; Eigenproduktion)

Im Progressive Metal geht es um komplexe Songstrukturen, schnelle Tempi, präzises Spiel, druckvolle Produktionen und möglichst kreatives Songwriting. Der 'Metal'-Anteil ist hier nicht Ausdruck einer unkontrolliert artikulierten Aggression, sondern pure Energie, die in schier aberwitzige Spieltechniken und Geschwindigkeiten mündet. Die stilprägenden Merkmale des Progressive Metal sind das Wohl und Wehe des Genres, denn entweder sind die Produktionen auf diesem Gebiet klinisch kalt oder sie klingen wie austauschbare Epigonen der Szenegrößen. Einen unverwechselbaren Charakter konnten im ProgMetal nur wenige Bands entwickeln.
Anders das US-amerikanische Duo Heart Of Cygnus: Jeff Lane (Gitarren, Bass, Keyboards, Vocals) und Jim Nahikian (Drums) gelang es mit nur zwei Alben, dem Debüt "Utopia" (2008) und dem vorliegenden Nachfolger "Over Mountain, Under Hill", sich einen respektablen Namen in der Szene zu verschaffen. Das Geheimnis ihres Erfolgs liegt nicht (nur) in ihrer Präzision und ihren technischen Fähigkeiten (obwohl es schon beeindruckend ist, was die beiden in Eigenproduktion auf die Beine gestellt haben), sondern in der Qualität ihrer Kompositionen und dem Sound, der sich ganz klar von dem anderer Bands dieses Genre unterscheidet; mit 'Iron Maiden meets Rush' könnte man ihren Sound zusammenfassen. Von Iron Maiden das schnelle, druckvolle und hymnische, von Rush die komplexen Strukturen und Überraschungsmomente. Fans beider Bands kommen hier auf ihre Kosten: Wer es proggiger mag, höre mal in "The Mountain King" rein, die Rocker sollten mal in "Black Riders" reinhören. Beide Titel sind auf ihrer Myspace-Seite in voller Länge streambar. [sal: @@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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