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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #686 vom 06.09.2010
Rubrik Kolumne

Sal's Prog Corner #90

Huch!? Die letzte Prog Corner ist schon wieder drei Monate her und trotzdem ist es nicht gerade so, dass sich auf meinem Schreibtisch relevante Prog-CDs zu beängstigenden Türmen stapeln. Völlig unbemerkt hat sich da wohl ein Sommerloch eingeschlichen und wahrlich nicht alles zwischendurch dann doch erschienene ist erwähnenswert.
Es folgt also eine repräsentative Auswahl aus einigen Neu- und Wiederveröffentlichungen der letzten Wochen, die mich aufhorchen und (gleich zweimal) aufblicken ließen – im positiven wie im negativen Sinne. Heute gibt es CDs und DVDs aus der Prog-Ecke. Wie immer wünsche ich viel Spaß beim Lesen und keep on proggin... [sal]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Various "Romantic Warriors - A Progressive Music Saga"

Quelle: http://www.progdocs.com

Doku – Film über die Prog-Szene in Nordamerika mit zahlreichen Bands aus USA, Kanada und Europa
(DVD; Zeitgeist)

Eine Dokumentation über die Progressive-Rock-Szene der USA, genauer gesagt, der US-amerikanischen Ostküste ist (für mich) wie ein Film über ein Familientreffen einer Sippe, die meiner eigenen sehr ähnelt. Der Progressive Rock ist zu einem Genre evolviert, das abseits der etablierten Musikmedien und der großen Labels viele Spielarten entwickelt und eine eigene veritable Subkultur aufgebaut hat, in der Fans und Musiker mit viel Idealismus (und mit wenig kommerziellem Erfolg) 'ihre' Musik machen und hören.
Die Dokumentation "Romantic Warriors" zeigt einige wichtige (US-amerikanische) Wallfahrtsorte der Prog-Szene und enthüllt, dass jenseits des großen Teichs die Festivals und Konzerte offenbar auch nicht besser besucht werden und – genau wie hier bei uns – einem großen Familientreffen gleichen, bei denen immer wieder die gleichen Fans auftauchen. Die Interviews mit zahlreichen US-amerikanischen und internationalen Prog-Musikern (darunter Roine Stolt von den Flower Kings, Dan Britton von Deluge Grander und Birds And Buildings und Musikern von Phideaux, Cheer Accident, D.F.A., La Maschera di Cera, Cabezas de Cera usw.) über ihre Motivation und ihre Musik sind aufschlussreich, teilweise sogar richtig unterhaltsam. Der Film schafft einen kaleidoskopischen Eindruck von einer (in Wirklichkeit gar nicht sooo) kleinen, eingeschworenen Szene und ihrem Idealismus. So manchen Konzertausschnitt hätte ich mir vollständiger gewünscht, aber andererseits ist "Romantic Warriors" alles andere als ein Konzertfilm. Und er macht unbestreitbar Lust die eine oder andere hier präsentierte Band genauer unter die Lupe zu nehmen. Es bleibt halt alles in der Familie.
Die DVD ist über progdocs.com weltweit erhältlich. [sal: @@@@]


Julie Slick "Julie Slick"

Progressive Rock – Instrumentaler Progressive Rock mit King-Crimson-Anleihen
(CD; julieslick.com)

Ich bin mir gar nicht so sicher, ob Julie Slick (nicht verwandt oder verschwägert mit Grace Slick von Jefferson Airplane/Starship) den Begriff 'Wunderkind' noch so gerne hören mag: Tatsache ist, dass sie sich schon mit 11 Jahren als exzellente Bassistin hervortat und dass sie seit einigen Jahren als Teil des Adrian Belew Power Trio (zusammen mit ihrem Bruder Eric an den Drums und dem King-Crimson-Sänger und -Gitarristen Adrian Belew) für Furore sorgt (demnächst auch wieder live in Deutschland unterwegs). Mit nur 24 Jahren hat sie es als eine der ganz wenigen Frauen im Prog-Business als Musikerin (und nicht als Sängerin) in die vorderste Reihe der arrivierten Instrumentalisten geschafft.
Nun liegt ihr selbstbetiteltes Debüt-Soloalbum vor. Es enthält 14 (hauptsächlich) eigenkomponierte instrumentale Nummern, die sie teilweise mit prominenter Unterstützung (Robert Fripp, Pat Mastelotto, Marco Minnemann und Eric Slick) aufgenommen hat und bei denen – wie sollte es auch anders sein – ihr bemerkenswertes Bassspiel dominiert. Natürlich ist ihre musikalische Gegenwart mit einem King-Crimson-Musiker (und zwei weiteren als Gästen) prägend für den Sound des Albums und natürlich ist Julie Slick noch nicht am Ende ihrer musikalischen Entfaltungsmöglichkeiten angelangt, doch für ein erstes Soloalbum – und dann auch noch für ein Soloalbum einer Bassistin – ist dies eine bemerkenswert gute Scheibe geworden, die über die 47 Minuten Spielzeit niemals langweilig wird. Das ist ein exzellenter Anfang und hier ist noch viel Luft nach oben: Ihr Talent ist in jeder Sekunde greifbar. Ich bin sicher, wir dürfen in den kommenden Jahren noch Großes von ihr erwarten.
Die Scheibe gibt es teuer beim großen Versender oder zum normalen Preis beim freundlichen Spezialversand von nebenan. [sal: @@@]


Tohpati Ethnomission "Save The Planet"

Fusion – Qualitätsarbeit aus Indonesien
(CD; Moonjune)

Leider ist hierzulande immer noch viel zu wenig bekannt, dass Indonesien eine der interessantesten und abwechslungsreichsten Rockmusik-Szenen der ganzen Welt beheimatet. Immerhin genießt die indonesische Band Discus in Insiderkreisen einen guten Ruf, aber ein Großteil der hochtalentierten Musiker bleibt in Europa und den USA schlichtweg unbeachtet. Ausnahmegitarrist Tohpati und seine Band hätten es allerdings durchaus verdient, auch in der westlichen Welt 'entdeckt' zu werden, schließlich ist ihr Jazzrock von zahlreichen US-amerikanischen und europäischen Musikern der 1970er und 1980er Jahre stark beeinflusst, wobei ich bewusst »beeinflusst« schreibe, denn Tohpati Ethnomission sind gewiss keine fade 1970er-Fusion-Kopie. Sie ergänzen vielmehr ihren gitarrengeführten Sound durch polyrhythmische Perkussionselemente, funkige Keyboardläufe (!) und durch abwechslungsreiche Solos auf der Flöte (!!) sowie durch variable Modi von nahezu Metal bis zu folkigen Anklängen – als ob man das Beste von Weather Report, Return To Forever, dem Mahavishnu Orchestra etc. zu etwas neuem, aber dezidiert indonesischem zusammengefügt hätte. 'Ethnomission' ist hier tatsächlich Programm und 'Mission': Wer Interesse an erstklassiger Fusion mit variablen Ethno-Anteilen hat, dargeboten von wirklich exzellenten Musikern, der ist bei "Save The Planet" genau richtig.
Auch diese Scheibe gibt es richtig teuer beim großen Versender oder deutlich günstiger beim Label Moonjune (ohne übertriebene Portokosten).
Anspieltipps: "Ethno Funk", "Selamatkan Bumi (Save The Planet)" und warum nicht auch "Amarah (Anger)". [sal: @@@@]


Frogg Café "Bateless Edge"

Jazzrock/Retroprog/Avant РDie Fr̦sche brauen ihren besten Kaffee
(CD, MP3; 10T)

Zugegeben, ich habe mit diesem Album nicht mehr gerechnet. Es war um die US-amerikanische Truppe etwas still geworden nach der Veröffentlichung ihres für meine Verhältnisse sehr enttäuschenden Live-Albums "The Safenzee Diaries" (mancher sah das freilich anders). Anderthalb Jahre hat man am vierten Studioalbum "Bateless Edge" gearbeitet und um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist ihr bisher bestes Album geworden.
Sie galten immer als etwas 'zu brav' und als eine Band, die ihre Spielfreude, auf zahlreichen Live-Konzerten unter Beweis gestellt, einfach nicht ins Studio hinüberretten konnte. Dieses Mal hat das Musikerkollektiv alles richtig gemacht und geht wirklich ungebremst und unverkrampft zu Werke. Wenn ich das Album mit einem Wort charakterisieren müsste, dann würde ich »mehr« wählen: Mehr Ideen, mehr Melodien, mehr Chorgesang, mehr Abwechslung, mehr Sorgfalt, mehr Zappa, mehr Jazz, mehr Progressive Rock, mehr Avantgarde-Einflüsse. Die etwas willkürlich wirkenden Jamrock-Einflüsse, die auf Dauer langweilig wurden, sind verschwunden (weil sie im Studio einfach nicht so wirken wie bei einem Konzert), stattdessen hat man dieses Mal ein durch und durch ausgefeiltes, durchkomponiertes Werk vorgelegt, das eines der besten Prog-Alben des Jahres geworden ist.
Die Downloads gibt es beim großen Versender, die richtige CD gibt es für nur wenige Euro mehr beim Spezialversand.
Anspieltipps: "Under Wuhu Son" und "Belgian Boogie Band". [sal: @@@@@]


Emerson, Lake & Palmer "Pictures At An Exhibition - Special Edition"

ProgRock meets Klassik – The most complete Version of "Pictures at an Exhibition" ever released on DVD (1970)
(DVD; Eagle Vision)

Emerson, Lake & Palmer stehen in der Prog-Gemeinde im zweifelhaften Ruf, die meisten sinnlosen Archiv-, Best-Of- und Live-Veröffentlichungen auf den Markt zu bringen. Ich glaube, selbst der hartgesottenste Fan hat den Überblick längst verloren und ist etwas stinkig auf seine Helden. Prinzipiell gilt die Regel: Alles Relevante wurde längst sinnvoll veröffentlicht, alles Irrelevante wird auf zahlreichen Wiederveröffentlichungen immer wieder neu aufgegossen. Ich bin mir nicht sicher, in welche Kategorie die vorliegende DVD "Pictures At An Exhibition" fällt, die den schmucken Untertitel "Special Edition" trägt.
Fakt ist: Der Konzertfilm, der am 9.12.1970 im Londoner Lyceum Theatre aufgezeichnet wurde und der dann in die Kinos kam, wurde bereits zahllose Male auf VHS, noch öfter auf DVD veröffentlicht, teilweise offiziell, teilweise als Quasi-Bootleg. Die Audio- und Videoqualität dieser Ausgaben ist extrem unterschiedlich. Die nun veröffentlichte DVD bietet die derzeit kompletteste Fassung des ursprünglichen Konzerts/Films und ist, im Vergleich zur 2006 bei Warner erschienenen DVD, um drei Stücke ("Take A Pebble", "Knife Edge" und "Rondo") und um ein TV-Special ("Pop Shop") aus Belgien aus dem Jahre 1971 erweitert. Die Bild- und Tonqualität geht bei dieser jüngsten Wiederveröffentlichung (sic!) völlig in Ordnung.
Wer also glaubt, er bräuchte die "Pictures" unbedingt auf DVD, der kann beruhigt zu dieser Ausgabe greifen. Oder bis zur nächsten warten, auf der dann vielleicht endlich auch noch das letzte fehlende Stück des ursprünglichen 1970er-Mitschnitts ("The Barbarian") zu finden sein wird. Übrigens: Auf der "Deluxe Version" der CD findet man den kompletten Soundtrack des Films als Bonus-Material. [sal: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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