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[ << | Inhalt ]Ausgabe #717 vom 22.08.2011
Rubrik Feature

Interview mit Delbert McClinton

Dieses Interview fand eine Stunde vor dem Auftritt beim Bluesfestival Baden 2011 statt, bei dem Delbert McClinton (*1940) mit der Band seines Partners und Freundes Gary Nicholson, der den ersten Teil des Abends bestritt, spielte. Ich traf einen sehr freundlichen und umgänglichen Mann, 70 Jahre alt, jünger wirkend.

Michael Müller-Hillebrand: Die Jahre 1991 und 1992 waren eine wirklich gute Zeit für Sie...

Delbert McClinton: Ja, wirklich gut.

Im September 1992 besuchte ein Freund einen Ihrer Auftritte im Tipitina's in New Orleans und Sie trugen einen Beingips. Was war passiert?

Delbert McClinton: Das passierte als ich in New York war, bei Studio-Aufnahmen. Ich kam vom Kontrollraum in den Aufnahmeraum und dort gab es eine kleine Rampe mit solchen Kanten [Geste]. Ich stolperte darüber und brach mir einen Knochen, genau hinter dem kleinen Zeh.

Mein Freund war sehr beeindruckt! In der Zwischenzeit hat er einen eigenen Laden mit CDs und LPs.

Delbert McClinton: Oh, cool.

Obwohl es mit der Musikindustrie...

Delbert McClinton: Ich weiß! Aber eine Menge Leute mögen solche Läden!

Man muss eben tun, was man tun will...

Delbert McClinton: Absolut!

...unbeeindruckt von Marktanalysen

Delbert McClinton: ...auch wenn es falsch sein sollte, man muss es tun!

Ihr letztes Album "Acquired Taste" (2009) kommt mit einer Bonus-DVD. Ich kenne die Platte "Live In Austin" und die Videos aus dem Jahr 1982 und diese Aufnahmen entstanden genau zehn Jahre später, 1992. Ich finde sie wirklich gut, besonders den Sound! Was für eine Verschwendung als Bonus-DVD...

Delbert McClinton: Ja, ich weiß, ich weiß.

So viel ich weiß, spielten Sie damals so um die 250 Auftritte pro Jahr...

Delbert McClinton: [nickt]

...haben Sie jemals darüber nachgedacht, etwas anderes zu machen?

Delbert McClinton: Nein, nein! Ich kann nichts anderes! Außer »arbeiten«, und ich werde nicht »arbeiten«, ich meine damit für jemand anderes. Seit ich ein Teenager war, habe ich Musik gemacht, weil ich es liebe.

Sie wurden »angesteckt«...

Delbert McClinton: Wurde ich.

...stand irgendwo geschrieben.

Delbert McClinton: Genau. Ich habe mein ganzes Leben Musik gemacht.

Sie bereuen also nichts?

Delbert McClinton: Nun, da gibt es wahrscheinlich schon das eine oder andere was ich bereue, aber nicht in Hinblick auf die Musik.

Auf dem jüngsten Album "Acquired Taste" waren Sie an jedem Song auch als Autor beteiligt. Gab es das auch früher schon?

Delbert McClinton: Die beiden Alben in den frühen 70ern, auf denen habe ich alles selbst geschrieben.

Die Aufnahmen als Delbert & Glen? ["Delbert & Glen" (1972), "Subject To Change" (1973)]

Delbert McClinton: Die auch! Aber mein erstes Solo-Album, das war... wie hieß das noch... "Second Wind" [1978] Nein, ich meine [schnippt] "Victim". Ich schrieb alle Songs auf "Victim [Of Life's Circumstances]" [1975]. Mein Gott, Sie fragen mich Sachen, das muss ich mir selbst nochmals anschauen. Aber ja, auf der letzten Platte habe ich alle Songs selbst oder mitgeschrieben.

Auf "Acquired Taste" habe ich anfänglich die Horn Section vermisst, quasi ein Markenzeichen Ihrer früheren Platten. Sie fehlt nicht musikalisch, es war mehr diese Erwartungshaltung: Delbert McClinton = sein Stimme und die Horn Section.

Delbert McClinton: Nun, viele Leute haben das ähnlich empfunden. Aber ich wollte etwas machen, das ein bisschen anders ist. Ich hatte bereits einige Songs geschrieben und hatte einige in Arbeit, die für mich ein wenig 'out of the box' waren. So wurde das Album ein Sammlung dieser Songs. Ich finde es hervorragend, aber viele Leute waren enttäuscht, weil die Horns und der ganze 'Lärm' fehlten.

'Enttäuschung' ist vielleicht das falsche Wort, denn es klingt wie es klingen soll, es fehlt nichts...

Delbert McClinton: Richtig, aber es war eben nicht wie die anderen. Genauso wollte ich es haben, ich wollte etwas machen, das ein wenig anders ist.

Mir fiel auf, dass der Song "Do It" schon einmal erschienen war, auf... war es "Victim Of Circumstances" oder eines der anderen...?

Delbert McClinton: "Do It", das war doch auf "Delbert & Glen", oder nicht? [Nein: "Victim Of Circumstances"] Ãœbrigens, Glen [Clark] und ich, wir arbeiten zusammen an einer neuen Platte.

Super! Mir gefällt diese Country & Soul-Mischung.

Delbert McClinton: Als ich in Texas aufwuchs, war das ein toller Ort all diese Musik zu hören. Ich hörte Country aus den 40ern und 50ern. Etwa 1958, 1959 entdeckte ich den Blues, aber ich hatte immer dieses Country-Ding dabei. Ich mochte es, Dinge zu übernehmen, alles miteinander zu mischen.

Aber das machte es wohl etwas hart für die üblichen Radio-Stationen...

Delbert McClinton: Story of my life! Sie wissen nicht, wie sie es einordnen sollen.

Vor ein paar Tagen wurde Bob Dylan (*1941) 70 und im Radio hörte ich diesen Kommentar: »Dank Bob Dylan gibt es in der Popmusik mehr als nur Boy-meets-girl-Geschichten.« Ich fragte mich, was daran eigentlich schlecht sei? Dann fiel mir auf, dass es in den meisten Ihrer Songs nicht um 'boy meets girl' sondern um 'girl leaves boy' geht.

Delbert McClinton: Und das ist gut so.

Es ist, womit sich Erwachsene rumschlagen müssen.

Delbert McClinton: Genau!

Es gibt so viele 'girl leaves boy'-Geschichten in Ihren Songs, die können doch nicht alle autobiographisch sein?

Delbert McClinton: Nun, nicht alle, aber doch viele! Man muss sich doch nur umsehen, da gibt es viel, worüber sich zu schreiben lohnt. Ich habe schon immer auch andere Leute beim Durchleben ihrer Dramen beobachtet. Und darüber kann man schreiben, etliches ist auch autobiographisch, aber nicht alles. Ich wollte immer traurige Lieder schreiben mit einem Funken Hoffnung am Ende, verstehen Sie?

Ich habe mir "Wouldn't You Think (Should've Been Here By Now)" [Textzeile: »Wouldn't you think she would've been here by now«] angehört. In dieser Geschichte schaut 'ihn' der Barmann an, als hätte er dies schon oft erlebt...

Delbert McClinton: Mit einer gewissen Sympathie...

Ja, aber in dieser Geschichte kommt 'sie' am Ende wohl nicht...

Delbert McClinton: Nein, 'sie' kommt nicht, 'sie' muss jemandem das Herz brechen, und wie es sich ergibt, trifft es 'ihn'.

Großartige Geschichte!

Delbert McClinton: Schön, dass Sie auf die Geschichte achten. Es war irgendwie witzig, wie die Aufnahme [zu "Wouldn't You Think (Should've Been Here By Now)"] entstand. [Produzent] Don Was gab mir den Song: »Hör dir das an, schau'n wir mal, was du davon hältst.« Ich hörte mir die Instrumental-Spuren an und kam zurück: »Mann, ich kann das keinesfalls auf diese Art und Weise machen.« Er sagte nur »Gut« [lacht], und wir nahmen es in einem Take auf. Das machte Spaß!

Entweder es klappt oder eben nicht.

Delbert McClinton: Ja, manchmal läuft es richtig gut, manchmal eher nicht.

Auf Ihrer Webseite delbert.com scheint es fast nur um Sandy-Beaches-Kreuzfahrten zu gehen. Wie kam es dazu?

Delbert McClinton: Nun, ich spielte zusammen mit anderen Kollegen zweimal selbst auf einer Blues-Kreuzfahrt. Es gab nur Blues und ich liebe Blues. Aber mittelmäßige Blues-Musik macht dich verrückt. Um guten Blues zu spielen, muss man etwas Neues hineinpacken. Da dachte ich mir, ich könne es besser machen. Wir machten es, wir zahlten ein paar Jahre drauf, aber dann bekam es ein Eigenleben, und jetzt... jetzt würde es nicht einmal etwas ausmachen, wenn ich nicht dabei wäre! [lacht]

Ich erkannte einige Namen unter den regelmäßigen Gästen, zum Beispiel Marcia Ball.

Delbert McClinton: Sie war auf jeder Kreuzfahrt dabei, sie ist eine feste Größe!

Leider ist es nicht so einfach im Januar [8.1.2012-15.1.2012] nur für eine Woche in die Staaten zu reisen.

Delbert McClinton: Für uns ist es eine gute Zeit, denn der Januar ist ein ziemlich toter Monat für viele Leute, so nach Weihnachten und den Feiertagen. Nun, es ist eigentlich gut für alle. Die Musiker, die ich dabei habe, sind meine Freunde und es ist ein träger Monat. Also die perfekte Zeit um alle zusammen zu bringen, eine gute Zeit zu haben, herumzuschippern und miteinander zu spielen. So kam alles gut zusammen.

Ein wenig Ferien und Luftveränderung.

Delbert McClinton: Genau. Und der Januar, nun der Januar ist doch überall ziemlich rau! Es ist eine gute Erholung nach all dem Feiertagsrummel. Wenn wir dann an Bord sind, ist es klasse.

Momentan sind Sie auf dem Weg zu einer Blues-Kreuzfahrt im Mittelmeer [Rock Cruise].

Delbert McClinton: Ja.

Nun, die Organisatoren dieses Festivals hätten sicher nichts dagegen, wenn das in dieser Kombination jedes Jahr klappte.

Delbert McClinton: Nun, es könnte ja passieren...

Weil Sie ansonsten selten in Europa auftreten.

Delbert McClinton: Tja, ich habe so eine große Band, da ist es schwierig einen Auftritt zu bekommen, mit dem sich all die Flugtickets bezahlen lassen.

Ich verstehe! Nun, man kann sich natürlich Ihren Auftrittsplan ansehen und die Vereinigten Staaten zum richtigen Zeitpunkt besuchen.

Delbert McClinton: Eben!

Vielen Dank! [mmh]


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