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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #520 vom 05.02.2007
Rubrik Feature

Sal's Prog Corner #60

Brandneues und leicht Angestaubtes, Vergessenes und Wiederentdecktes, alte Bekannte und neue Gesichter: Die erste Prog Corner des Jahres 2007 schlägt eine Brücke zwischen den Resten des Jahres 2006 und den ersten Veröffentlichungen des jungen Jahres 2007. So bunt gemischt wie die Bands sind auch die Stilrichtungen in der heutigen Ausgabe: Klassische Konzepte und neue Ideen, quereinsteigende, vorurteilsfreie Musik mit einem überraschend hohen Anteil aus Deutschland. Na, wer sagt's denn!
Auch dieses Mal wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen und Entdecken: Keep on proggin'. [sal]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Age "2"

Quelle: http://www.age-1.de

Klassischer Prog – Zeitreisende aus Berlin
(CD; Age)

Ein wahrlich überraschendes Debüt-Album "2" (sic! "1" war lediglich eine Sammlung von Demos), das da Bandkopf Aaron Grahovac und seine Berliner Mitstreiter von Age vorgelegt haben. Dennoch wäre es im Wust der vielen (zu vielen!) Eigenproduktionen des letzten Jahres fast untergegangen. Es ist sogar zweifach überraschend: Zum einen, weil es wirklich professionelle Qualität bietet (was bei Eigenproduktionen nun wirklich nicht immer der Fall ist), zum anderen überrascht "2" mit konsequent klassischem Progressive Rock, der so echt klingt, dass man gar nicht von 'RetroProg' sprechen möchte. Vielmehr klingt "2" wie ein vergessenes Meisterwerk der seligen 1970er oder bestenfalls wie das Ergebnis einer Zeitreise. Es gibt jede Menge altmodischer Sounds aus der Hammond-C3-Orgel und vom Fender Rhodes Piano, dazu Vibraphon, Sitar, Saxophone en masse und eine allgegenwärtige Viola; die Songs sind komplex und verspielt, die Texte kryptisch, die Takte ungerade.
Sicher, die Einflüsse der großen Vorbilder King Crimson, Genesis, Yes, den frühen Kansas und vor allem Gentle Giant sind unüberhörbar, aber bei allen rückwärts gewandten Sounds und Konzepten überraschen Age mit erstaunlich viel Persönlichkeit und Individualität. Ich bin gespannt, ob die Truppe dieses exzellente Debüt noch toppen kann, ohne in dröge Imitation zu verfallen. [sal: @@@@]


Alias Eye "In Focus"

(Melodic) Rock – Die Rückkehr der Mannheimer Truppe
(CD; Quixote)

Sie waren 2001 mit ihrem Debüt "Field Of Names" gefeierte deutsche Newcomer und entwickelten sich auf dem Nachfolger "A Different Point Of You" (2003) zur vielleicht besten deutschen Melodic-Rock-Band; sie tourten mit Saga durch Deutschland und verschwanden danach erst einmal in der Versenkung: So kann es gehen. Mittlerweile haben einige Bandmitglieder Nachwuchs bekommen und Ur-Gitarrist Matthias Richter wurde durch Matthias Wurm ersetzt. Die Kinder wuchsen und gediehen und ergo wurde es Zeit sich wieder der Band zuzuwenden: Man ging endlich wieder ins Studio.
Mit "In Focus" meldet sich das Mannheimer Quintett nun wieder zurück. Ihren Stilmix aus Rock mit pathosgeladenen Vocals und riffigen Gitarren, augenzwinkernden Crooner-Jazz-Zitaten und einer Prise hinternwackelndem Funk haben sie beibehalten, doch insgesamt wirkt das Album geradliniger und weniger verspielt als der Vorgänger: Offensichtlich wollte die Band 'back to the basics' und sich weniger als Prog-, mehr als Rock-Band ins Gedächtnis rufen. Wer also mit den straighten Stücken der beiden Vorgänger bestens zurecht kam, der wird Alias Eye 2007 wie in 'alten Zeiten' ins Herz schließen können. Alle anderen werden das Verspielte der beiden Vorgänger vielleicht ein wenig vermissen. [sal: @@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Franck Balestracci "Modified Reality"

Quelle: http://www.carbon-7.com

Avantgarde – Zwischen Prog und Neuer Musik
(CD; Carbon 7)

Die komplexen elektro-akustischen Kompositionen des französischen Multi-Instrumentalisten und Komponisten Franck Balestracci stehen im Mittelpunkt seines dritten Albums "Modified Reality", dessen Name wirklich Programm ist. Balestraccis Klangcollagen klingen wie ein leicht verändertes Abbild einer (musikalisch umgesetzten) modernen Welt. So vielfältig unsere Welt heute ist, so vielfältig sind auch die Erkenntnisse Balestraccis: 18 Stücke und ebenso viele Nuancen, die Balestraccis Blick auf eine uns entfremdete, rationale und beängstigende Welt reproduzieren, gleich einem leicht surrealistischen Foto-Bildband mit Abbildungen aus unserer schönen neuen Welt.
Mit Gastauftritten von Réginald Trigaux (Present) und Guy Segers (Univers Zero, Present) und der unüberhörbaren künstlerischen Nähe zur französischen Avantgarde-Band Art Zoyd ist "Modified Reality" ein Geheimtipp für den Liebhaber komplexer und komplizierter, unkommerzieller Musik. [sal: @@@@]


Blind Ego "Mirror"

NeoProg/AOR/ArtPop – Soloprojekt des RPWL-Gitarristen Karlheinz Wallner
(CD; Red Farm)

Karlheinz Wallner ist das 'W' bei RPWL, der Münchener Formation, die für gefälligen, Pink-Floyd-lastigen, bombastischen Sound steht und sich in den letzten Jahren eine respektable Fan-Gemeinde erspielt hat. Blind Ego ist das Solo-Projekt Wallners, dessen Debüt-Album "Mirror" er mit einer Reihe illustrer Musiker aufgenommen hat: John Jowitt (b; IQ), John Mitchell (g & voc; Arena, Kino), Paul Wrightson (voc; ex-Arena), Tommy Eberhardt (dr) sowie weitere Gäste sorgen für eine perfekte handwerkliche Umsetzung. Wallner selbst spielt die meisten Gitarren und schrieb die Songs, beschränkte also sein 'Ego' auf seine angestammten Disziplinen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Ergebnis so völlig anders klingt als ein Produkt seiner Hauptband, denn Blind Ego rocken und das gar nicht mal wenig. Und genau hier mag mein Problem liegen: Wer auf schnörkellosen, hymnischen Prog(Rock) light à la Arena, Kino oder Frost steht, der wird mit Blind Ego sehr gut bedient, kein Zweifel; RPWL-Fans werden wohl eher leicht irritiert sein, warum der liebe Kalle nun so laut losbratzelt; der Rest, der (wie ich) auf Dauer ganz gut ohne solche Musik auskommen kann, konstatiert ein gut gemachtes Album mit Musik, die offenbar für andere gedacht ist. [sal: @@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Peter Hammill "Singularity"

Prog/Singer-Songwriter – Das beste Album Hammills seit langer Zeit
(CD; Fie!)

"Singularity" heißt das neueste Werk des britischen Songwriters, Poeten, Gitarristen, Keyboarders und Sängers Peter Hammill, das irgendwas-und-dreißigste Solo-Album in seiner langen Karriere, die 1969 als Frontmann der unlängst reformierten Van Der Graaf Generator begann. "Singularity" kann Eigentümlichkeit, Einzigartigkeit oder Beispiellosigkeit bedeuten und genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich das Album.
Die Kompositionen und erst recht deren Umsetzungen entstanden nach Hammills Herzinfarkt 2003: Textlich setzt er sich (folgerichtig?) mit seinen Todesängsten, seiner Krankheit und seiner Karriere auseinander, musikalisch bewegt er sich auf gewohnten Bahnen. In spärlich instrumentierten Songs – er hat das komplette Album im Alleingang eingespielt, obwohl er alles andere als ein brillanter Instrumentalist ist – dominiert seine ausdrucksstarke Stimme.
Alles in allem ist es also kein revolutionäres Konzept, das aus "Singularity" das beste Solo-Album seit bestimmt zehn Jahren macht. Auf "Singularity" gelingt es Hammill endlich mal wieder, seine ohnehin stets sehr persönlichen Songs mit intensivster Eindringlichkeit zu singen und sie auch ohne Einschränkungen musikalisch adäquat umzusetzen. Genau hier musste man in den letzten Jahren immer wieder Abstriche machen, nicht so bei "Singularity".
Hammill mag auf eine lange Karriere zurückblicken, aber er ist noch nicht am Ende. [sal: @@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Pain Of Salvation "Scarsick"

Progressive Metal – Daniel Gildenlöw und seine Band melden sich zurück
(CD; InsideOut)

Das sechste Album "BE" (2004) der schwedischen ProgMetal-Formation Pain Of Salvation wurde zum bis dato umstrittensten der Bandgeschichte. Die Kritikerlieblinge mussten sich harsche Kritik zum 'Hörspiel' "BE" anhören. Bandkopf Daniel Gildenlöw hatte mit seinen religionsphilosophischen Betrachtungen wahrlich nicht jeden Geschmack getroffen. Aber Gildenlöw und seine Band wären einfach nicht die derzeit wichtigste ProgMetal-Band, wenn sie nach "BE" einen Schritt zurück in sichere Gefilde gemacht hätten. Stattdessen entwickeln sie ihre Vision vom 'intelligenten' Metal auf "Scarsick" weiter und bauen wieder einmal jede Menge Überraschungen in die Musik ein.
Musikalisch entdecken Gildenlöw & Co. den NuMetal für sich und deuten ihn europäisch um: Einige Gesangspassagen haben schon etwas von Linkin Park. Dafür verzichtet man auf das Kammerorchester und rockt wie schon seit seligen "Perfect Element"-Zeiten nicht mehr.
Andererseits hat Daniel Gildenlöw eben immer noch viel zu sagen: Über George Bush ("America"), über sexuellen Missbrauch und seelische Prostitution ("Disco Queen"). Glücklicherweise verpackt er nun seine Gutmensch-Attitüden wieder in Songs, gesprochene Passagen findet man deutlich seltener. Alles neu und alles beim Alten also: Revolutionär wie viele der Vorgänger-Alben find ich "Scarsick" nicht, es bleibt ein ausgezeichnetes ProgMetal-Album für die interessierte Gemeinde. [sal: @@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Pendikel "Don't Cry, Mondgesicht"

Rock/Indie-Rock/Prog – "Dabei geht es nur um Musik..."
(CD; BluNoise)

Oliver Klemm und Carsten Sandkämper sind Pendikel und Pendikel sind die wohl seltsamste und widersprüchlichste deutsche Band, die mir letztes Jahr untergekommen ist. Ihre Musik liegt irgendwo zwischen Deutschrock à la Tomte und nonkonformistischem Indie-Rock und zitiert, mehr als man es bei solch einem Grundgerüst für möglich hielte, den erdigen Progressive Rock der frühen King Crimson oder die schrägen, angejazzten Harmonien eines Robert Wyatt.
Die vorwiegend deutschen Texte schwanken zwischen Kryptischem, Trivialem, Agit-Rock-Parolen (oder einer postmodernen Persiflage dieser) und gewolltem (oder gar unfreiwilligem?) Nonsens. All das lässt mich ratlos und verstört zurück: So oft ich dieses Album in den letzten Wochen gehört habe, so sehr schwanke ich zwischen Begeisterung und Entsetzen über so viel prätentiös konstruierte 'Kunst'.
Beste Voraussetzungen also, um – so oder so – als eines der wirklich hörenswertesten und ungewöhnlichsten Alben des abgelaufenen Jahres 2006 durchzugehen: Reinhören und selber ratlos zurückbleiben. Man muss ja auch nicht wirklich alles verstehen. [sal]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Tea For Two "Twisted"

Folk/Prog – Entspanntes Lebenszeichen
(CD; Quixote)

Seit 1993 geistern Tea For Two durch die deutsche Szene und gehörten dabei mit Sicherheit nicht zu den Bands, die mit spektakulären Hypes überhäuft wurden; andererseits waren sie nie wirklich 'weg vom Fenster'. In unregelmäßigen Abständen spielte das Trio(!) ein Album ein, auf dem sie dann ihre Mischung aus Folk und Progressive Rock immer wieder neu erfanden. Mit dieser ruhigen, unaufdringlichen Art haben sie viele hochgelobte Bands der Szene überlebt.
Auf dem mittlerweile vierten Album "Twisted" steht, wie bei den Vorgängern auch, die ungewöhnliche Stimme des Frontmanns Stephan Weber im Vordergrund, einem klassischen Geschichtenerzähler, der Erinnerungen in Texte umzuformen weiß. Dazu gibt es viel Flöte, Bass, akustische Gitarre und Klavier in einer angenehm anzuhörenden Mischung aus Folk und unaufgeregtem (akustischen) Prog, kurzum: Ein typisches Tea For Two-Album: Auf die Band ist einfach Verlass. [sal: @@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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