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Der Schallplattenmann sagt #724, 21.05.2012

Der Schallplattenmann sagt
Ausgabe #724, 21. Mai 2012

Farewell, Donald 'Duck' Dunn

When musicians talk about playing 'in the pocket', what do they mean? Listen to any of the classic soul cuts underpinned by the bass grooves of Donald 'Duck' Dunn and you have your answer. Dunn – who died on Sunday at the age of 70 – was a master rhythm player who propelled innumerable Stax recordings from Wilson Pickett's "In The Midnight Hour" to his beloved Booker T. and The M.G.'s' "Time Is Tight"; Sam & Dave's "Hold On, I'm Comin'" to Eddie Floyd's "Knock On Wood", not to mention pretty much every track Otis Redding ever recorded. The full list is staggering. Donald 'Duck' Dunn, 1941-2012, RIP.
Phil Alexander, Editor-In-Chief, MOJO

In dieser Woche

Tipp der Woche

Neu erschienen

DVD - Musik sehen

Live - Musik spüren

Texte - lesen oder hören

Frisch aus den Archiven

@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight

Tipp der Woche

Erstes Wiener Heimorgelorchester "Ütöpie"

Synthie-Pop – Vertonung des Absurden
(CD; Monkey)

Sie geben an, keine Vorbilder zu haben und erinnern trotzdem ungemein an den Synthie-Pop der 80er-Jahre. Das mag an den einfachen Instrumenten liegen, die das Erste Wiener Heimorgelorchester (EWHO) seit fast zehn Jahren unverdrossen einsetzt – simple Keyboards für den Hausgebrauch, die jeder auch nur halbwegs ambitionierte Keyboardnovize rundheraus ablehnen würde. Sie erinnern quasi automatisch an die Frühzeit der elektronischen Popmusik. Originalität und Eigenständigkeit hat das Quartett hinlänglich bewiesen, und die Bezüge zur Vergangenheit – wenn sie denn doch gewollt sind – sind nicht epigonal, sondern ironisch gebrochen.
So kann man "Käseleberkäse" mit seinem harten, stupenden Rhythmus als DAF-Persiflage lesen. Nur dass das EWHO nicht mehr provozieren muss und zum Leberkäseessen auffordert. Wobei sie noch einen doppelten Boden eingezogen haben: Aufgrund der Mundart ist es nicht eindeutig, ob es sich um eine Aufforderung handelt oder um eine Feststellung. Gleichzeitig machen sie sich ganz nebenbei über den einzigen Hit der österreichischen Band Opus (1985) lustig: »Live is life«, singt das EWHO, »Rotwein rot/ Weißbrot weiß/ tot ist tot«.
Als Connaisseure erweisen sich die Wiener durch die Vertonung des absurd-abgründigen Ror-Wolf-Gedichts "Das Nordamerikanische Herumliegen", dessen groteske Komik sie apokalyptisch-düster umsetzen. Diese Vertonung verdeutlicht auch, wo sich das EWHO ansiedeln möchte: bei den Dichtern der literarischen Hochkomik, Robert Gernhard, seinen Kompagnons von der Neuen Frankfurter Schule und ihren Vorläufern wie Christian Morgenstern und Ernst Janda. Das ist keineswegs vermessen. Denn selbst die scheinbar reinen Nonsens-Texte der Gruppe sind hintersinnig. Wenn sie, wie im gleichnamigen Lied, über das Echo singen, verstärken sie dessen Wirkung nicht bloß, sondern verkehren sie ins Gegenteil. Dann zieht sich der Ich-Erzähler des Stücks zwar mit seinem Kamm nur »nachlässig einen Scheitel«, doch das Echo wirft ihm ein »eitel eitel eitel eitel« zurück. Und wenn er sich einredet, dass sie nur bei ihm sein wolle »und zwar sofort«, entlarvt dies das Echo sofort als Trugschluss und wirft ihm umgehend sein »fort fort fort fort« zurück. Dafür gibt es keine Vorbilder. [noi: @@@@@]

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Neu erschienen

Die Aeronauten "Too Big To Fail"

Indiepop – eine Klasse für sich
(CD, LP+MP3 Download; Rookie)

Die Aeronauten sind wie die Klitschkos und treten eigentlich nur gegen sich selbst an. Kein Wunder, sie fühlen sich omnipotent. Doch selbst wer zu großartig ist um zu fallen, muss (sich) das immer wieder beweisen – besonders im dreißigsten Jahr des Bestehens.
Ihre Melodien sind unverschämt eingängig und trotzdem trägt ihr Klang noch immer die rustikale Note, welche die Aeronauten immer schon liebenswert gemacht hat. Dazu sind die Texte von Oliver Maurmann so schräg und originell wie bei keiner zweiten Schweizer Band. Ganz im Sinn, dass auch das Private politisch ist, singt er über den persönlichen Reifeprozess, kommentiert aber auch – ohne es explizit zu benennen – aktuelles Geschehen. So verweist etwa "Too Big To Fail" zwar auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, aber zum primitiven Banken-Bashing, das man bei diesem Titel durchaus erwarten könnte, lassen sie sich nicht herab.
Die oft von einem ironischen Ton geprägten Lieder sind nicht nur textlich humorvoll: "IQ 39" erinnert an einen T-Rex-Heuler, "Das Ende ist nah" zeigt wie man den drohenden Weltuntergang empfangen soll: ausgelassen und mit einem fröhlichen Lied, dessen Chorus in der Art des 60er-Jahre-Pop durchaus hart an der Kitschgrenze schrammen darf. Wie immer bedienen sich die Aeronauten freizügig im Pop-Arsenal vergangener Zeiten, bieten einmal sogar Country- und Dixieland-Anklängen, haben rockige Gitarren und immer wieder fetzige Bläsersätze.
Zum Jubiläum haben sich die Aeronauten ein Doppelalbum gegönnt. Neben zwölf fast durchweg erstklassigen Songs (auch der Ausreißer "Uswanderer" ist zu verkraften) zelebrieren sie ihre Liebe zu B-Movies. 14 Instrumentalstücke, zum Teil mit Dialogen aus Filmen unterlegt, führen in die Welt altmodischer Krimis und Klopper-Filme. [noi: @@@@@]

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Aidan "Le Grand Discours"

Folk – wunderschönes Songwriting-Debüt für die Jahresendliste
(CD; Hazelwood)

Manchen Leuten wird Aidan noch als Co-Sänger von Wallis Bird in bester Erinnerung sein. Mit "Le Grand Discours" hat der Ire nun endlich sein erstes Studioalbum veröffentlicht. Nicht nur Fans von Nick Drake – nach dem er immer wieder klingt – dürfen sich freuen, Aidan ist ein erstaunlich gutes Debüt-Album gelungen.
Der Künstler erzählt in seinen Songs von seinen Eindrücken und Begegnungen auf einer über zehnjährigen Reise durch Europa. Wie sehr ihm das Spaß gemacht und wie offen und kontaktfreudig der Künstler die Reise begangen hat, hört man den Titeln dann auch an. Während sich viele dem Folk zugewandten Künstler zu sehr auf ihre Wurzeln beschränken, schüttet Aidan ein ganzes Füllhorn an Klängen und musikalischen Ideen über uns aus. Will der Hörer die komplette Tiefe und Komplexität diese Albums ergründen, hilft nur der Griff zur Repeat-Taste.
Immer wieder gibt es hervorragende Gitarren- und Pianopassagen. In "Rue De Charlotte" werden eindringliche Gesänge mit Streichern unterlegt, "For The Love Of The Lord" wartet mit Geräuschkulisse aus dem Rekorder auf, "Nunca Máis" und "Pill Song" bestechen durch perfekt eingesetzte Percussion.
Liebhaber von teuren Stereoanlagen dürfen sich besonders freuen: Aufnahme, Mix und Mastering sind exzellent und passen also gut zu diesem atemberaubenden Album. [lp: @@@@]

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Adam Arcuragi "Like A Fire That Consumes All Before It"

Americana – raue Hymnen
(CD, LP; Devilduck)

Das Etikett 'Death Gospel', mit dem Adam Arcuragi seine Musik versehen hat, braucht mehr Erklärung, als es beim Einordnen seiner Musik hilft. Man kann sich seinen Liedern aber auch ohne intellektuelle Auseinandersetzung hingeben.
Die Musik von Adam Arcuragi ist energiegeladen und versprüht durchaus Lebensfreude. Die Bezeichnung 'Death Gospel' bezieht sich auf seine Einschätzung, dass das Leben – salopp gesagt – kein Zuckerschlecken ist und letztlich vom Ende bestimmt wird; von der Vergänglichkeit, die auch die schönsten Momente mit Schwermut überzieht. Deshalb sollte man gemäß Arcuragi der Freude an den schönen Seiten des Lebens umso vehementer Ausdruck verleihen.
Folk, Country, Americana und von Gospel inspirierte, mächtige Chorusse zeichnen die meist in forschem Tempo gespielten Stücke Arcuragis aus. Der oft prägende Chorgesang lässt sie überaus hymnisch wirken. Dabei sind es nicht feinsinnige Engel, die hier rufen. Intensität und Leidenschaft stehen bei Arcuragi, der seine Lieder durchweg mit rauer Stimme intoniert, im Vordergrund. Und der Liedermacher aus dem Südwesten der USA singt so dringlich, als ob er das Ende durch die Inbrunst seines Gesanges aufhalten wollte. Der Titel des Albums zeigt schon, dass Arcuragi durchaus Wuchtiges im Sinn hat: "Like A Fire That Consumes All Before It" verweist auf die Ilias, die Homer zugeschriebene Erzählung vom Trojanischen Krieg. Epische Ereignisse brauchen keinen weinerlichen Erzähler, der dem Ende entgegenzittert. Sie brauchen eine starke Stimme und kraftvolle Musik. Adam Arcuragi bringt dazu noch den Willen zum überbordenden Pathos mit. Mit welchem Etikett er sich vermarktet, ist völlig gleichgültig. Das aktuelle Nebeneinander der Stile macht eine Abgrenzung, wie sie beispielsweise für 'Outlaw Country' noch sinnvoll war, völlig überflüssig. Und sie täuscht auch nicht darüber hinweg, dass er die Musik nicht grundsätzlich neu erfindet. Aber das wäre auch zuviel verlangt. [noi: @@@]

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The Audience "Hearts"

Indie – zwischen Disco-Punk und Prog/Post-Rock
(CD, LP; Hazelwood Vinyl Plastics)

Vier Jahre lang haben sich die Musiker von The Audience für das neue Album Zeit gelassen. Das Warten hat nun endlich ein Ende: "The Hearts" steht jetzt beim Plattenhändler.
Sehr viel hat sich seit den letzten Alben nicht geändert – den Fan wird's freuen. Die Musiker leisten sich keine Schwächen und gehen wie gewohnt zur Sache. Produziert wurde unter Live-Bedingungen in einem großem Saal mit Holzboden. Die Power, die man von den Konzerten kennt, ist also auch auf dem Album. Musikalisch ist die Band etwas psychedelischer geworden, der Disco-Punk etwas gefühlvoller. Bei der Produktion geholfen hat Frank Mollena Zeidler (Missouri). Es klingt dann auch etwas bewusster und geplanter als bei den Vorgänger-Alben und schlägt sich mit leichtem Schlenker zum Post-Rock im Stil nieder.
Für Fans der Band und Liebhaber von Disco-Wave-Punk ein Genuss ohne Reue. [lp: @@@]

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Dr. John "Locked Down"

Psychedelic New Orleans Soul – Frischzellenkur für den Voodoo Doctor
(CD, LP+CD; Nonesuch)

Dan Auerbach von The Black Keys, glühender Fan des frühen Dr. John und dessen mystisch-psychedelischer Alben von "Gris Gris" (1968) bis "The Sun, Moon & Herbs" (1971), bot sich nach einer gemeinsamen Jam-Session als Produzent eines neuen Studioalbums an, auf dem er den 71-jährigen Mac Rebennack nicht wie meist zuletzt als routinierten New-Orleans-Piano-Virtuosen hören wollte, sondern neben Gesang ausschließlich elektrisch an Farfisa-Orgel oder Fender-Rhodes-Piano. Dazu holte Auerbach Musiker aus dem Umfeld der Dap-Kings, Menahan Street Band sowie den Münchner Drummer Max Weissenfeldt von den Poets Of Rhythm nach Nashville ins Studio. Mit 'jungem Blut' gelingt die Rückverwandlung in Macs mysteriöses Alter Ego Dr. John 'The Nite Tripper', den Voodoo-Priester, der zu verspukten Sounds und Grooves gegen die kulturelle Zerstörung seiner Heimat New Orleans durch das nach Hurrikan Katrina grassierende Spekulantentum oder die medial längst abgefrühstückten, aber immer noch immanenten Folgen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sottert ("Revolution", "Ice Age"), ohne dabei die 'gute Medizin' zu vergessen, wie im hitzigen NOLA-Funk-fast-Instrumental "Eleggua" sowie dem darauf folgenden, wunderbar dahinfließenden Ausklang mit "My Children, My Angels" und "God's Sure Good".
Frischzellenkur für den Voodoo Doctor – oder ein weiteres Beispiel für wiederbelebte Tugenden eines 'Alten Helden' durch die einfühlsame Produktion eines Fans aus der derzeit angesagten Musiker-Generation. [bs: @@@@]

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Lee Fields "Faithful Man"

Soul – das ewige Comeback des kleinen James Brown
(CD, LP; Truth & Soul)

Über vierzig Jahre im Plattengeschäft und immer noch das nächste große Ding im klassischen Soul, das macht Lee Fields so schnell keiner nach. Wurde er für den Funk seiner ersten selbst veröffentlichten Singles in den frühen Siebzigern noch gerne als Little J.B. verspottet, verzog er sich in Zeiten von Disco und Hiphop fast ganz aus dem Musikbusiness. In den 90ern gab es ein paar scheußliche Vollsynthieproduktionen, wie sie auch andere Soulgrößen von Ray Charles bis Clarence Carter im Jahrestakt raushauten, weil\'s so schön billig war... Rettung nahte erst im neuen Jahrtausend durch die Geburt des Retro-Soul. In Brooklyn gab es ein heißes, neues Vintage-Soul Label, das neben Lee Fields auch Sharon Jones eine Chance gab. Besagtes Label Desco spaltete sich 2004 in Gabriel Roths Daptone Records und Leon Michels' Truth & Soul.
Nach dem großen Kritikererfolg von Lee Fields' letztem Album "My World" (2009) legt er noch mal eine Schippe drauf. In der Zwischenzeit hatten die Produzenten von Truth & Soul mit Aloe Blaccs "I Need A Dollar" einen Riesenhit und legten jetzt auch hier Hand an. War der Vorgänger noch supergeschmackvoll unterwegs mit Farfisa-meets-Vibraphon-Arrangements, gibt es bei "Faithful Man" das volle Brett mit Breitwand-Orchester, Bläserkolonnen, Jubel-Chören und superfieser Fuzzgitarre. Der gleichnamige Opener kommt, wie das nachfolgende "I Still Got It", im ungewöhnlichen 6/8-Takt daher, lädt zum Soul-Walzer, als ob es "Where Did You Go To My Lovely" nie gegeben hätte. Die Expressions um Labelboss, Gitarrist und Produzent Leon Michels haben mit Thomas Brenneck einen Gitarristen vom befreundeten Daptone-Lager hinzugezogen und so weiß man, wo's lang geht. Sharon Jones' und Charles Bradleys letzte Scheiben lassen grüßen.
Einziger Wermutstropfen ist die Kürze des Albums, weit unter vierzig Minuten und die noch aufgefüllt mit dem unnötigen Instrumental "Intermission" und einer zugegebenermaßen ordentlichen Coverversion des vergessenen Rolling-Stones-Klassikers "Moonlight Mile", die vor ein paar Monaten schon auf einem MOJO-Sampler zu finden war – insgesamt aber dennoch locker 4 Sterne wert.
Vielleicht klappt's beim nächsten Mal mit der vollen Punktzahl, die Richtung stimmt. [mv: @@@@]

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The Flying Eyes "Done So Wrong"

Psychedelic Blues Rock – Melancholie trifft auf Härte
(CD, LP; World in Sound)

Mit ihrem zweiten Album haben es die 'Fliegenden Augen' aus Baltimore geschafft, den zu sehr nach Jim Morrison und The Doors klingenden Sound ihres Debüts "The Flying Eyes" (2009) abzustreifen. Die Songs klingen nicht mehr so roh und unstrukturiert, nicht mehr nur wie ein Abziehbild jener Zeit. Gleich mit dem Opener "Death Don't Make Me Cry" eröffnen uns die vier Musiker ein Klanggebilde, das über Acid, Psychedelic bis Stoner-Rock reicht. Melancholischer Country-Folk-Blues zu Beginn von "Nowhere To Run" trifft im Mittelteil auf herrlich stampfende Riffs und flirrende Gitarren. Wie überhaupt das ganze Album den Hörer unterbewusst, nach und nach, immer mehr in einen psychedelischen Rauschzustand versetzt. Der akustische Absacker a la Black Keys "Leave It All Behind" steht daher sicher nicht nur symbolisch für ehrliche, handgemachte Musik, tief verwurzelt in den 1970ern. Obwohl die Stücke sehr kurz gehalten sind, hat die Band mit "Done So Wrong" ein ungewöhnliches Album geschaffen, das in den Bann zieht. [vl: @@@@]

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Kommando Elefant "Scheitern als Show"

Indie-Pop – deutschprachiges Album aus Österreich, für den Export empfohlen!
(CD, LP+CD; Las Vegas)

Ein Poster aus 100% Elefantenscheiße verspricht ein Aufkleber auf der CD-Box. Zusammen mit dem Titel "Scheitern als Show" wohl der Hinweis darauf, dass die Österreicher von Kommando Elefant mindestens Humor besitzen. Hört man sich durch den angenehm einfach gestrickten, aber schmissigen Indie-Pop der Gruppe, bemerkt man ziemlich schnell, dass unter der Oberfläche des Humors doch so einige Tiefen lauern.
»Wenn alles vorbei ist, nur mehr Schweigen das bleibt,/ dann steh ich hier mit dem Letzten, was mir noch blieb,/ dann steh ich hier mit dem allerletzten Liebeslied« singt Alf Peherstorfer im fünften Lied und gleich darauf im sechsten: »Ich bin ein Arschloch, tut mir Leid« und kündigt dann ein richtiges Arschloch-Solo an. Die Welt der Beziehungen wird also sehr ernst genommen, Selbstreflexion ist aber etwas, worüber die Band noch Witze machen kann.
Musikalisch könnte die Band auch aus Deutschland kommen. Endlich einmal kein Austro-Irgendwas zum sofort heraushören, sondern saubere Gitarren-Musik mit ein paar Keyboards, die ebenfalls sauber produziert ist. In der zweiten Hälfte des Albums hauen die Jungs dann immer mehr Ohrwürmer raus – ein deutschsprachiges Partyalbum mit richtigem Tiefgang, hatten wir das schon einmal? [lp: @@@]

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Bonnie Raitt "Slipstream"

Eklektizistisch, souverän und versiert zwischen Roots-Nischenmusik und Mainstream
(CD, 2LP; Proper)

Sieben Jahre nach dem Studio-Vorgänger "Souls Alike" (2005) tut Bonnie Raitt – vielleicht auch befreit vom kommerziellen Druck einer Major Company – auf ihrem neuen Album ganz einfach das, was sie am besten kann: Grandiose Interpretationen von Vorlagen verehrter Song-Schreiber-Kollegen, hier u.a. zweimal späterer Dylan ("Million Miles", "Standing In The Doorway"), eine Reminiszenz an den im Januar 2011 verstorbenen Schotten Gerry Rafferty, sonst wiederum zweimal ex-NRBQ Al Anderson, der auch als zusätzlicher Gitarrist gastiert, wieder einmal der Ire Paul Brady, Loudon Wainwright III und – last not least – zweimal Joe Henry, der insgesamt vier Stücke für "Slipstream" produzierte und von seiner Hausband mit Jay Bellerose (dr), David Piltch (b), Patrick Warren (p, keys) und Bill Frisell (g) als weiterem Gast einspielen ließ. Die weiteren acht Songs bringt die nach wie vor überragende Sängerin und Slide-Gitarristin der Lowell-George-Schule mit ihrer langjährigen Tour-Band nach Hause, in der lediglich Keyboarder Jon Cleary offerbar durch Mike Finnigan (u.a. Taj Mahal's Phantom Blues Band) ersetzt wurde.
Eklektizistisch, souverän und versiert vermitteln Bonnie Raitt und ihre Mitstreiter zwischen einer bunten Palette Roots-Nischenmusik – Blues, Funk, Reggae, Songwriter-Folk – und dem Mainstream, ohne den ursprünglichen Kern der Songs zu verraten; zu denken gibt nur, warum musikalisch würdig in die Jahre gekommene Roots-Heroinen wie Raitt oder auch Emmylou Harris mit derart künstlich geglättetem Teint vor U.S.-Kameras (auf-)treten müssen? [bs: @@@@]

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Various "Radio Beirut"

World – Sampler mit aktueller Musik aus dem Libanon
(CD; Galileo)

Beirut gilt als eine der derzeit besten Party-Städte der Welt. Offenbar ist die Zeit gekommen, in der nicht mehr nur vornehmlich saudiarabische Besucher kommen, um – der Libanon ist das einzige arabische Land, in dem Prostitution erlaubt ist – den rigiden Einschränkungen des Heimatlandes zu entfliehen. Der innerhalb kurzer Zeit veröffentlichte zweite Sampler mit Musik aus Beirut legt nahe, dass auch hierzulande das Interesse an der Stadt am östlichen Mittelmeer gestiegen ist.
Wie schon die vom Schweizer Verein Norient herausgegebene Zusammenstellung "Golden Beirut" (2011) legt auch diese den Fokus auf die vielfältigen Einflüsse, welche die Musiker reflektieren: Da wird ein Chanson mit lateinamerikanischen Rhythmen garniert (Mashrou'Leila mit "Raksit Leila"), sich in Retro-Stimmung an niedlichem French-Pop angelehnt (Soapkills mit "Herzan") oder an Singer/Songwritern wie Suzanne Vega orientiert (Sima mit "Stale Coffee").
Anders als "Golden Beirut", auf dem auch harter Rock und Hip-Hop zu hören sind, scheint sich "Radio Beirut" an ein gesetzteres Publikum zu richten. So verweist es zum Beispiel mit Hanine Y Son Cubano auf die lange Verbindung von kubanischer und arabischer Musik oder auf den regen Kulturaustausch mit Frankreich in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Durch diesen kam der Tango in den Libanon, den Soumayas Baalbaki auch heute noch pflegt.
Gemeinsam ist beiden Samplern, dass rein traditionelle und die an der arabischen Klassik orientierte Musik (etwa von Charbel Rouhana) ebenso fehlen wie im Exil lebende Musiker, etwa Marcel Khalifé, Toufic Farroukh und Rabih Abou-Khalil. Aber das wäre ohnehin ein ganz anderes Kapitel. [noi: @@@]

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DVD - Musik sehen

Martin Scorsese "George Harrison: Living In The Material World"

Doku – das Leben des 'stillen' Beatle
(2DVD, BluRay; Arthaus)

Nach "The Last Waltz" (1978), "No Direction Home" (2005) und "Shine A Light" (2008) ist Martin Scorsese eine weitere großartige Musik-Doku gelungen, die sich einer Ikone der wilden 1960er und ihrem Weg durch die darauffolgenden Dekaden widmet.
"Living In The Material World" folgt der Lebenslinie des medial bislang weniger präsenten, 'stillen' Beatle George Harrison: vom Nachkriegs-Liverpool nach Hamburg, über Swingin' London und Indien durch die eher zurückgezogenen Jahre ab den 1970ern. Scorsese zeigt den spirituellen Sinnsucher, Meditations- und Sitarschüler, idealistischen Filmproduzenten der Monty Pythons, Traveling Wilbury, Frauenliebling und Ehemann, passionierten Ukulele-Spieler, Vater und bis zuletzt humorvollen 'Buddy'.
Schwere Krankheit einhergehend mit Verletzungen infolge eines Raubüberfalls beendeten sein Leben, das durch den 'Schock' schneller Popularität und relativ jung erlangten, materiellen Wohlstands wesentlich stärker von der Suche nach darüber hinaus reichenden, immateriellen Idealen und Inhalten geprägt war. [bs: @@@@]

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Live - Musik spüren

Mama Rosin, 27.4.2012, TaK, Schaan (FL)

Live – Gute Laune mit einfacher Musik

Vor anderthalb Jahren hätten sie diesen Auftritt vereinbart, erzählte Robin Girod. Und ihre Freunde in Genf würden sie darum beneiden. Wahrscheinlich war bis zum Moment, als sie entdeckten, dass Liechtenstein doch noch in Europa liegt und man hier sogar eine Abart des Deutschen spricht, der Auftrittsort für das Trio ebenso exotisch wie Macao, das chinesische Las Vegas, wo Mama Rosin vor ihrem Ausflug nach Liechtenstein zuvor aufgetreten sind. Der kurze, niedlich klingende »chinesische Zydeco«, den sie von dort mitgebracht haben, war nicht der Rede wert. Umso griffiger war ihre ureigene Mischung aus Two Step, Zydeco und Blues.
Die Musik von Mama Rosin ist simpel und direkt und hat ein Ziel: gute Laune. Diese verbreiten sie weniger durch Raffinesse als durch die Begeisterung, mit der sie auf der Bühne stehen – und durch die charmante Interaktion mit dem Publikum, die der überaus sympathischen Band das ganze Konzert durchweg außerordentlich wichtig ist. Die Genfer haben sicher schon größere Bühnen gesehen als das Reservepodest im Theater-Foyer, und dürfen doch froh sein, dass sich die kaum 50 Besucher nicht in die Theaterbestuhlung quetschen müssen. Diese sind es sicher auch. Denn auch wenn sie – was völlig überflüssig ist – den Respektsabstand zur Bühne einhalten: Die Spielfreude des Trios überträgt sich unmittelbar und kommt auch bei den wenigen langsameren Stücken nicht zum Erliegen, die Mama Rosin nicht so sehr zu liegen scheinen.
Cajun- und Zydeco-Musik ist simpel, mit einfachen Mitteln gemachte, rustikale Gute-Laune-Feierabendmusik. Ihr Ziel, ihrem Publikum einen fluffigen Abend zu bieten, haben Mama Rosin mit diesem Konzert locker erreicht. [noi]

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Unterbiberger Hofmusik, 26.4.2012, Freudenhaus, Bregenz (A)

Live – bayrisch, türkisch, jazzig: die Unterbiberger bringen alles in einen Bläsersatz
(Himpsl)

Viel eher als die Unterbiberger Hofmusik – die sich in Dirndl und Lederhosen wesentlich konventioneller gibt, als sie tatsächlich ist – zeigt ihr ständiger Partner Matthias Schriefl auf den ersten Blick, was von der Gruppe zu erwarten ist: Die Lederhose des Trompeters darf als Bekenntnis zur Tradition gelesen werden. Aber schon das kleingemusterte Hemd mit seinem modisch großen Kragen, seine geckige Brille und der modebewusste Haarschnitt zeigen, dass er in ihr nicht feststeckt. Das untere Drittel mit seinen auffälligen, orangefarbenen Kniestrümpfen, die in mit Alpenblumen bestickten rot-grünen Mokassins eines mittelalterlichen Gauklers stecken, repräsentiert den Freigeist, den burlesken Hofnarr mit seinen entlarvenden Späßen.
Tradition, Freigeist und Moderne sind die Ingredienzien der Familie Himpsl – vulgo Unterbiberger Hofmusik – aus dem gleichnamigen Ort bei München, die gemeinsam mit dem furiosen Trompter Matthias Schriefl, dem geschmeidigen Posaunisten Mathias Götz und dem Tubisten Konrad Sepp auf der Bühne sitzt.
Seit Jahren schon sprengt die Gruppe das Genre der Volksmusik, vornehmlich indem sie diese mit einem gehörigen Schuss Jazz versetzt, aber auch zum Beispiel mit lateinamerikanischen Rhythmen. Schon auf ihrem letzten Album "Made In Germany" (2012) hat sich ein neuer Weg abgezeichnet – die Adaption und Integration türkischer Musik, die beim aktuellen Programm im Zentrum steht. Da fügt sich der Klang der Rahmentrommel ganz selbstverständlich in die Bläser, und unversehens wird aus einer schmelzenden orientalischen Melodie ein urbayerisch wirkendes Lied. Auch Polka, Walzer, der auch mal in Richtung Barjazz abschweifen kann, und Tango fügen sich gut in diese Mischung.
Trotz der Hinwendung zur türkischen Musik, kommt die jazzige Note alles andere als zu kurz. Es sind auch die als Solisten oft im Rampenlicht stehenden Matthias Schriefl, der überwiegend exaltiert, furios und effektbetont spielt, und der zurückhaltender agierende Mathias Götz, die immer wieder begeistern. Schriefl ist es auch, der für den Höhepunkt des Abends sorgt – mit einer ungewöhnlichen Interpretation von Duke Ellingtons "Caravan", das er, den Rhythmus mit um die Fußgelenke gebundenen Schellen selbst dazu stampfend, treibend-nervös und mit dreckigem Ton in den Saal schmettert.
Obwohl oft nach einem ähnlichen Muster arrangiert – zwei Trompeten liefern das Intro, zu dem sich nach und nach die weiteren Instrumente gesellen – kommt keine Langeweile auf. Kleinere Schwächen – dass zu Beginn der Tournee mal ein Intro nicht sitzt oder dass in den lyrischen Passagen der türkischen Lieder der Schmelz in der Stimme fehlt – akzeptiert man gerne. Denn auch wenn die raue Stimme von Franz Himpsl nicht so recht zur schwelgerischen oder gar romantischen Melodieführung passen mag, beim Wechsel in den traditionell-bayerischen Stil wirkt sie durchaus wieder passend.
Konzerte: 24.5.2012 München, 17.6. Neugablonz und Sonnenhausen, 7.7. München, 28.7. Puchheim. [noi]

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Texte - lesen oder hören

Matthias Willi, Olivier Joliat "The Moment After The Show"

Bildband – Der Basler Fotograf Matthias Willi hat Musiker in einem ganz besonderen Moment abgelichtet
(geb.; Roughbooks)

Posen ist ihr Geschäft – für die Medien und auf der Bühne sowieso. Wie Rockmusiker wirklich sind, erfährt das Publikum jedoch kaum. Der Basler Fotograf Matthias Willi hat einen Weg gefunden, die Musiker zum Ablegen der Maske zu bewegen: Er hat sie, bekannte und unbekannte, unmittelbar nach dem Konzert fotografiert. »Nur so kann man zeigen, wie wir wirklich sind«, zeigte sich Juliette Lewis von der Idee begeistert. Erschöpft sieht sie auf dem Bild aus, durchgeschwitzt, ein wenig verloren, aber zufrieden.
Dem erledigten Iggy Pop, bekannt für seine ungestümen Auftritte, ist eine kleine Bildstrecke gewidmet. Viele andere sind mit jeweils einem Bild vertreten, etwa Brian Molko (Placebo), Josh Homme (Queens Of The Stone Age), Merrill Nisker alias Peaches und Judith Holofernes (Wir sind Helden). Matthias Willi fotografierte aber nicht nur die großen Namen quer durch (fast) alle Genres der Pop- und Rockmusik, sondern bis hinunter in die Amateur-Liga. Denn angesichts ihrer Leidenschaft sind alle gleich, egal ob sie vor 50 oder vor 5000 Menschen auf der Bühne stehen.
Ganz auf Namedropping verzichtet haben die beiden Herausgeber trotzdem nicht. Kid Rock sei einfach zu den Aufnahmen von Gnarls Barkley mitgekommen, schreiben Willi und Joliat im Begleittext, da habe man ihn eben auch fotografiert. Dass andere Musiker ihre Show-Maske nicht abgelegt haben, ist ihnen jedoch nicht anzulasten. Jesse Hughes von den Eagles Of Death Metal beispielsweise sei eben einfach ein »poser by nature«.
"The Moment After The Show" lebt von seiner originellen Herangehensweise. Sie ersetzt die herkömmliche Musikfotografie nicht, bietet aber eine ungewöhnliche Facette, die andere Einblicke ermöglicht.
"The Moment After The Show" ist im Eigenverlag erschienen und kann über deren Internetseite bestellt werden. [noi: @@@]

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Frisch aus den Archiven

Billy Bragg & Wilco "Mermaid Avenue - The Complete Sessions"

Americana – ergänzte Annäherung an den Geist von Woody Guthrie (1998/2000)
(3CD+DVD; Nonesuch)

Zu dieser kooperativen Vertonung uneingespielt verbliebener Song-Texte aus dem schier unerschöpflichen Nachlass von Woody Guthrie gab es im Rahmen dieses Newsletters bereits vor gut einer Dekade reichlich von unterschiedlichen Autoren zu lesen.
Anlässlich des hypothetischen 100. Geburtstags von Woody Guthrie am 14.7.1912 wurden die von seiner Tochter Nora initiierten, bislang zweiteiligen "Mermaid Avenue"-Sessions von Billy Bragg und Wilco mit Gastbeiträgen von Natalie Merchant, Corey Harris oder Eliza Carthy um eine weitere CD mit 17 (!) unveröffentlichten Interpretationen sowie eine DVD mit der sehenswerten Making-Of-Doku "Man In The Sand" (1999) ergänzt; letztere vermittelt nicht nur Hintergründe der Sessions, die unterschiedliche Interpretations- und künstlerische Herangehensweise der Beteiligten, sondern gewährt anhand von O-Tönen Nora Guthries auch tiefe Einblicke in das Leben und musikalische Schaffen des Mannes, den Billy Bragg als den bedeutendsten U.S.-amerikanischen Lyriker des 20. Jahrhunderts bzw. seit Walt Whitman (1819-1892) vereehrt, und dessen bekanntester Folk-Song "This Land Is Your Land" nicht einmal komplett in den Liederbüchern seines Heimatlandes abgedruckt wird.
Die trotz einer gewissen Inhomogenität gelungene Annäherung an den Geist von Woody Guthrie bleibt nicht zuletzt durch das gegenwärtige Protestsänger-Charisma des Briten Billy Bragg und die Entwicklung von Wilco zu einer der wichtigsten, aktuellen Bands hörenswert – nur hätten derart üppige Medien-Pakete eine entsprechend wertigere und vor allem praktikablere Verpackung verdient. [bs: @@@@]

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(cc) 1996-2016 Einige Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte zu http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.

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