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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #251 vom 09.07.2001
Rubrik Feature

Cajun & Zydeco from Europe

Wenn man als heimatverhafteter Mitteleuropäer noch nicht in das Mississippi-Delta gekommen ist, Cajun-Musik aber dennoch liebt, kann man die Gelegenheiten nutzen, die bietet. Da wird offenbar, dass hier keineswegs ein Nischenpflänzchen gehätschelt und gepflegt wird, sondern die Bands überall in Europa zu Hause sind und fröhlich sprießen, selbst da, wo man "Hot Tamale" und "Gumbo" am wenigsten vermuten würde, im kalten Nordeuropa nämlich!
Die Seiten bieten einen ziemlich guten und umfassenden Ãœberblick über die Geschichte von Cajun, aber auch eine nahezu komplette Linksammlung zu Cajun in Europa (– allerdings muss man etwas Frustrationstoleranz mitbringen, denn manche interessante Links sind inzwischen "tot"!). Instrumentenbauer, Musiker, Küchenrezepte, Songtexte und Materialien zur Ahnenforschung werden hier aufgelistet, das ist ziemlich witzig, mitunter... ich krieg' da enorme Lust, all diese Rezepte (z.B. auf auszuprobieren). Michael Bentele, Musiker und Sammler und Webseitenbetreiber, hat da feine Arbeit geleistet.
Zurück zur Musik. Unsere New Orleans Jazz Fest-Explorer könnten sicherlich Bände schreiben über die Atmosphäre an den Originalschauplätzen und die Expressivität der diversen Akkordeon & Fiddle-Bands samt ihren kompletten Familien auf und vor den Bühnen. Hier geht so richtig die Post ab, teils in atemberaubendem Tempo jagen die vielen Herren und wenigen Damen durch die Stücke. Sie betreiben Traditionspflege: In diesem Genre sind die Vorbilder aus den Louisiana-Sümpfen und die herausragenden Größen wie Clifton Chenier und Boozoo Chavis die Messlatten, an denen die Authentizität und Spielfertigkeit abgelesen werden kann. Das (Knopf-) Akkordeon hat die tragendste Rolle in den Ensembles, weil es sich damit so schön schluchzen und jammern lässt, es aber auch wilde Lebensfreude und Zuversicht transportieren kann. Und weil man damit sowohl Rhythmus-Effekte beisteuern als auch lange polyphone Melodiebögen ohne abzusetzen aufbauen kann. Eigenkompositionen sind rarer gesät, deren Schöpfer versuchen dann aber auch zeitgemäße Einflüsse zu verarbeiten, wie die Hendrix-Hommage von den Zydeco Playboys "Hey Papa Joe". Man hört, es braucht auch einige Übung, das Creole-Patois, das holprige Delta-Französisch so hinzubekommen, dass es nicht aufgesetzt wirkt. Selbst die originär französischen Bands klingen da nicht authentischer als die Dänen, Niederländer oder Waliser. Der Sampler "Cajun And Zydeco From Europe", der sich über Cajunweb bestellen lässt, dokumentiert die Szene ausgewogen und ausführlich.
Bentele hat auch seine eigene Band, die Cajun Pioneers, die inzwischen schon ihre zweite CD produziert haben. Auch hier zeigen sie profunde Kenntnisse der Cajun-Historie, und es ist amüsant zu hören und zu lesen, was so die großen Themen sind, die die Welt bewegen: die Untreue der Frauen und das anschließende Verlassenwerden, keinen Job und kein Geld haben, schmachtende Liebesverse an junge Frauen dichten, ordentlich (Fr)Essen und Trinken und wehe, es ist nicht scharf genug gewürzt...
Musik für Geselligkeit, die immer ungeheuer optimistisch ist und keinen Fuß stillstehen lässt. Und das soll ja auch so sein. [www]


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