#341 vom 12.05.2003
Rubrik Texte - lesen oder hören
Franz Kafka / Olaf Reitz "Der Bau. Ein Erzählfragment"
Hörspiel – Wo's hinaus geht, geht's auch hinein
(Guanako)
Perfekte Sicherheit kann immer auch perfekte Falle sein. Das Eine geht nicht ohne das Andere. Angst soll verhindert werden und löst sie gleichzeitig unweigerlich aus (siehe aktuelle Weltpolitik). In dem intelligent wie komischen Hörspiel-Monolog von Olaf Reitz (Sounds von Tim Buktu & Olaf Reitz) lernen wir ein nicht näher beschriebenes Erdwesen kennen, das sich seiner Endlichkeit durchaus bewusst ist. Ein Sisyphus, ein Choleriker, ein Ich, dessen Sicherheitsbedürfnis in ein selbstgewähltes Dilemma führt. Ruhe, Glück, Frieden scheinen unmöglich. Wenn jemand am Betreten seines Baues gehindert werden soll, gibt es auch immer jemanden, der aus diesem nicht hinaus kann. Ähnlich wie in "Bericht für eine Akademie", "Forschungen eines Hundes" oder "Die Verwandlung" treibt Kafka auch in "Der Bau" sein Spiel um Bedeutung und Interpretation. Allerdings haben seine Tierfabeln nichts mit Walt Disney zu tun, sind alles andere als kleine lustige Tiergeschichten. Kafka geht es um den Menschen, dessen Verhaltensmuster, um selbstreflexive Auseinandersetzung mit Lebensentwürfen und all ihren Spiegelsälen. Das Tier sind wir, der Bau die Welt. Und wir lernen: Die Vorsicht verlangt das Risiko des Lebens.
Im Weiteren empfehle ich bei dieser CD die Verwendung der Random-Taste, die zu verblüffenden – fast möchte ich sagen kafkaesken – Ergebnissen führt. [gw]
Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:
Permalink: http://schallplattenmann.de/a110414