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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #619 vom 02.03.2009
Rubrik Feature

Mendelssohn in Leipzig

Ob es wirklich nur Zufall ist, dass kurz hintereinander die beiden hervorragenden Leipziger Kammer-Ensembles, das Gewandhaus-Quartett und das Leipziger Quartett, Gesamteinspielungen der Streichquartette von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) vorlegen? Wohl kaum, wenn man bedenkt, dass Mendelssohn viele seiner letzten Jahre in Leipzig verbracht hat. Er war eine herausragende Figur des musikalischen Lebens der Stadt, nicht zuletzt weil er dort 1843 das "Conservatorium", die erste Musikhochschule Deutschlands gründete. So gesehen ist die Wahl der beiden Ensembles eine natürliche, über die vermeintliche innerstädtische Konkurrenz mag man trefflich spekulieren. Uns dient es als Vorlage die Einspielungen zweier der wichtigsten und besten deutschen Quartette direkt miteinander zu vergleichen. Und vorab nur so viel: Beide Ensembles haben herausragende Interpretationen vorgelegt, die zu den allerbesten überhaupt gehören. [sal]


Felix Mendelssohn Bartholdy / Gewandhaus-Quartett "Sämtliche Streichquartette"

Klassik – Mendelssohns Streichquartette, komplett
(4CD; NCA)

Das Gewandhaus-Quartett wurde 1808 gegründet und war das erste professionelle Streichquartett der Welt, also ein Ensemble, dessen Musiker hauptberuflich im Streichquartett arbeiten. Traditionell setzt es sich aus den Solisten und Konzertmeistern des Gewandhaus-Orchesters zusammen. Im Laufe seiner Karriere hat dieses Quartett viele Werke bedeutender deutscher Komponisten uraufgeführt, auch einige der hier vorliegenden Werke Mendelssohns erklangen zuerst von diesem Ensemble.
Die vorliegende Einspielung mit der Besetzung Frank-Michael Erben (1. Violine), Conrad Suske (2. Violine), Olaf Hallmann (Viola) und Jürnjakob Timm (Cello) präsentiert die sieben Streichquartette (plus den "Vier Sätzen für Streichquartett", op. 81) von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) in nicht zu süßlichem Klang. Der Ton des Ensembles ist weich, warm und homogen, auf allzu harsche Töne verzichtet man, sie würden auch nur schwerlich zu den Kompositionen passen. Die Aufnahmen selbst klingen gut und die Aufmachung der Box ist aufwendig (Prägedruck und ein umfangreiches Booklet). Mendelssohns Kammerwerke, die oft einen tänzerischen, fröhlichen Unterton haben (mit Ausnahme des düsteren Quartetts in F-Moll, op. 80), verlieren in anderen Interpretationen oft viele verspielte, erfrischende Details, die sie zu wirklichen Meisterwerken machen. Nicht so beim Gewandhaus-Quartett: Hier sind die Interpretationen schlüssig, die Tempi angemessen und es entsteht ein insgesamt sehr runder Eindruck der Werke, die Mendelssohn zwischen seinem 14. und seinem 38. (und letztem) Lebensjahr komponiert hat. Eine rundum gelungene und in sich stimmige Einspielung. [sal: @@@@]


Felix Mendelssohn Bartholdy / Leipziger Streichquartett "Sämtliche Streichquartette · Oktett · Orchesterwerke (bearb.)"

Klassik – Mendelssohns Streichquartette komplett mit umfangreichen Bonusmaterial (2001-2007)
(5CD; MDG)

Nahezu zeitgleich mit der Neueinspielung sämtlicher Streichquartette von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) durch das innerstädtische 'Konkurrenz-Ensemble' Gewandhaus-Quartett, erscheinen nun zusammengefasst in einer eher schmucklosen Box die gesammelten Mendelssohn-Aufnahmen des Leipziger Streichquartetts aus den Jahren 2001-2007, also noch in der alten Besetzung (Andreas Seidel, 1. Violine; Tilman Büning, 2. Violine; Ivo Bauer, Viola und Matthias Moosdorf, Cello).
Es mag an der räumlichen (und wohl auch personellen) Nähe des übermächtigen Gewandhaus-Orchester liegen, dass der Grundklang beider Aufnahmen nicht unähnlich ist: Ein warmer, weicher und homogener 'Leipzig-Sound' ist sowohl hier, als auch beim Gewandhaus-Quartett unüberhörbar. Und so könnte ich es mir leicht machen und die entsprechenden Passagen aus der einen Besprechung in diese hineinkopieren, doch die Unterschiede sind bei etwas genauerem Hinhören sehr wohl auszumachen. Denn die Leipziger klingen in allem was sie machen noch ein wenig intensiver: Die langsamen Tempi sind langsamer, die schnellen schneller, die temperamentvollen Passagen sprühen geradezu, die melancholischen sind noch etwas schwermütiger, noch etwas dichter in der Interpretation. Dazu mag auch die herausragende und natürliche Klangtechnik beitragen, die das audiophile Label MDG garantiert. Ich habe selten ein so warmes Cello gehört wie bei den Kammermusik-Aufnahmen der Leipziger auf diesem Label. Doch darüberhinaus scheint es mir, als ob das Leipziger Streichquartett auch die vielen kleinen Details noch besser herausarbeitet, sie hörbarer, greifbarer macht.
Die Höchstwertung für diese Box erschließt sich nicht zuletzt auch durch das umfangreiche 'Bonus'-Material der Box, das wundervolle "Oktett", op. 20 und die auf der fünften CD zusammengefassten Bearbeitungen für Klavier zu vier Händen, Violine und Violoncello der Sinfonien Nos. 1 und 5 und beiden Ouvertüren "Die Hebriden" und "Ruy Blas".
Diese Box ist gewiss eine der aufregendsten Wiederveröffentlichungen des Jahres (nicht nur) im diesjährigen 200. Geburtstags-Jubiläum des Komponisten. [sal: @@@@@]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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