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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #425 vom 28.02.2005
Rubrik Texte - lesen oder hören

Thommie Bayer "Die gefährliche Frau"

Hörbuch – Vom Fallen und vom Fallen stellen, von Winkelzügen des Neids und von Verrätern der Liebe
(4CD; Eichborn Lido)

Thommie Bayer hat sich inzwischen in die deutsche Bücherindustrie hineingeschrieben. Der Literaturmechaniker liefert in regelmäßigen Abständen seine Frontberichte von wechselnden Beziehungskriegen und kommt einfach nicht von seinen konstruierten Dreiecksystemen los. Sein neuer Roman schwächelt partiell und ist möglicherweise zu lang. Das Hörbuch kann immerhin mit der beeindruckenden Vortragskunst von Anna Thalbach punkten, der als Erzählerin gelingt, was die Geschichte nicht durchgehend schafft: Sie überzeugt. Ulrich Tukur hat übrigens ganz am Ende der CD eine kleine Gastrolle.
"Die gefährliche Frau" handelt vom Fallen und vom Fallen stellen, von Winkelzügen des Neids und von Verrätern der Liebe. Bayer lässt diesmal zwei Personen aufeinander treffen, die schon verloren sind, bevor sie sich ineinander verlieren. Vera Sandin lebt in Berlin und ist ein Biest. Axel Behrendt ist Romanautor und anscheinend ein prima Opfer. Mit dem Zweizeiler "Ist Ihr Mann treu? Finden Sie es heraus!" bietet Callgirl Vera ihre ungewöhnlichen Dienste an. Eifersüchtige Frauen erhalten so Gewissheiten, die für nachhaltige Konsequenzen sorgen. Denn Vera kann zwei Dinge besonders gut: Ihren Bademantel fallen lassen und andere Leute zerstören. Ansonsten glaubt sie an ihre Rolle als souveräne Manipulatorin, ist leicht eingeschnappt und dann zickig, ohne inneres Gleichgewicht und ein sehr einsamer Mensch. Sie hält sich für eine raffinierte Macherin, ist aber nur Werkzeug. Einmal Zofe, immer Zofe. Das Umstände manchmal anders sind als es scheint, müsste sie aus eigener Erfahrung wissen. Leider steckt ihr Kapital in der Bluse und nicht im Kopf. Hinter der betörenden Fassade verbirgt sich eine rachsüchtige Selbstinszeniererin (genau wie ihre verhasste Mutter) und als die Männerjägerin eine große Liebe retten will, verliert sie nicht nur die Kontrolle über sich selbst. Vera und Axel ringen um Nähe und Vertrauen, sind dabei jedoch nur Marionetten in einem noch größeren Spiel um Macht, Eifersucht und Hass. Bereits nach dem ersten Drittel der Geschichte ist kaum zu glauben, dass dem Callgirl die spielentscheidende Tragödie der Verwechslung von Axels Frau mit deren Schwestern entgeht. Nachdenken ist leider nicht so ihr Fall. So kommt die Katastrophe, weil sie muss.
Ohne ausschweifende Rückblenden und überflüssige Details (man muss nicht wissen, dass Vera als Sechzehnjährige für den Kajagoogoo-Sänger Limahl schwärmt oder wie die Penetration mit einer Mohrrübe funktioniert) wäre eine wunderbare Novelle mit bitteren Farben über den unaufhaltsamen Untergang einer Verlorenen möglich gewesen. Weniger hätte hier mehr sein können. Schade, denn dass Thommie Bayer dies beherrscht, beweist er präzise, knapp und brillant mit dem einzigen Auftritt der ultimativen Puppenspielerin, die ebenfalls eine gefährliche Frau ist. [gw: @@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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