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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #583 vom 12.05.2008
Rubrik Texte - lesen oder hören

Steve Coll "Die Bin Ladens. Eine arabische Familie"

H̦rbuch РDas 'Buddenbrooks' der Bin Ladens
(4CD; Audio-Verlag)

Was '9-11' in Zukunft noch bedeuten wird, wissen wir heute nicht. Zur Erinnerung aus einem deutschen Blog vom Tag des Anschlags, 16.36 Uhr: »Hi, steht da der 3. Weltkrieg vor der Tür? Wenn das ein Anschlag war, und das dürfte zu 90 % sicher sein, dann gnade uns Gott. Gruß Nobody«
Leider, es war ein Anschlag. Und als ich am 11.9.2001 ein Bild des fortan meistgesuchten Terroristen der Welt sah, war das ein Erlebnis: Der Mann, der in den Videos rätselhafte Worte sprach, sah aus wie Jesus von Nazarath! Seine Gesten pure Magie – er musste nur seine rechte Hand schlaff heben. Und da ich mit Familie und Freunden zusammensaß, die das böseste Arschloch der Welt auf der Mattscheibe sehen wollten, ging jetzt ungläubige Enrüstung durch die Runde: Was!? Dies lebende Klischee Jesu sollte für den größten Terroranschlag aller Zeiten verantwortlich sein?
Dieser schockierende Widerspruch zwischen der Wirkung Osama Bin Ladens und seiner fürchterlichen Verantwortung für '9-11' setzte Verschwörungstheorien in Gang: Die Bin Ladens hielten Anteile am Investment-Unternehmen Carlyle, dessen Vorstände George und George W. Bush waren. Da saßen die Erzfeinde also im selben Boot. Profitierten beide Seiten? Andere sehen George W. Bush als den wahren Auftraggeber hinter Bin Laden, um nach der Attacke, wie geschehen, in eine ölfördernde Region einmarschieren und diese wirtschaftlich kontrollieren zu können. David Baldacci stellt in seinem jüngsten Thriller "Die Wächter" einen Zusammenhang her, ebenso John S. Cooper in "Das fünfte Flugzeug".
Als wäre all dies nicht schon fesselnd genug, rollt Pulitzerpreisträger Steve Coll die Familiengeschichte der Bin Ladens auf. Es erklingt ein orientalisches Märchen, verstärkt durch die hinreißende bassig-schnurrende Stimme des Vorlesers Bernt Hahn. Wir hören das 'Buddenbrooks' der Bin Ladens. Wir hören vom Großvater Osamas, dem ein geliehener Ochse starb und weil er dessen Gegenwert nicht begleichen konnte, musste er seinen gesamten Besitz aufgeben. Dessen ältester Sohn Mohamed Bin Laden schloss sich als 12-Jähriger Teenager einer Karawane an, die ihn nach Äthiopien brachte. Dort arbeitete er, verlor dabei ein Auge. Kaum zurückgekehrt brach er mit Bruder Abdullah erneut in die Fremde auf. 1931 gründete der Analphabet (aber begnadete Diplomat) aus dem Nichts ein bald milliardenschweres Bauunternehmen. Mohamed Bin Laden finanzierte die saudi-arabische Königsfamilie und baute weltweit enge Geschäftsverbindungen auf – auch in die USA (s.o.). Die 53 Geschwister Osamas studierten größtenteils in Europa und den USA. Von einem radikal islamischen Sportlehrer inspiriert wendete sich Osama bald hartnäckig gegen westliche Einflüsse und widmete sein Leben dem radikalen Islam.
Verblüffend: Flugzeuge spielen ein zentrales Motiv in der Familiengeschichte, nicht nur als Statussymbol. Osamas Vater, Firmengründer Mohamed Bin Laden, starb bei einem Flugzeugabsturz; Salem Bin Laden, der neue Chef und zugleich Osamas ältester Bruder, nutzte ein Flugzeug offenbar zum Selbstmord. Ein Krimi für sich: Wie nach der Flugzeugattacke am 11.9.2001 die Geschwister und Cousins von Osama Bin Laden aus den USA geflogen werden.
Steve Coll fächert das beeindruckende, spannende Spektrum einer global agierenden Familie auf, im Spannungsfeld zwischen Religion, Wirtschaft und Politik. [vw: @@@@]


@@@@@ - potentieller Meilenstein: Starlight
@@@@ - definitives Highlight: Highlight
@@@ - erfreuliche Delikatesse: Delight
@@ - solides Handwerk: Solidlight
@ - verzichtbarer Ausschuss: Nolight


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