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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #586 vom 09.06.2008
Rubrik Feature

Doug Wimbish, der Bassist von Living Color im Interview

»Oh, wie gern würde ich Barack Obama als Präsident der USA sehen!«
(CD; Enja/Yellow Bird)

Was haben Madonna, Mick Jagger, Mos Def und Kanye West gemeinsam? Sie alle wollen, dass er ihre Songs mit seinem innovativen Bassspiel veredelt. Er? Der New Yorker Doug Wimbish. Sein Vorbild ist Jimi Hendrix. Sein Lieblingspräsident wäre Barack Obama. Sein neues Album "Cinema Sonics" ist eine deftige Stellungnahme für Frieden. Und ein Vorgeschmack auf den nächsten großen Schlag: Die Widerauferstehung der legendären Band Living Colour!

Volker Wilde: Ihr neues Solo-Album "Cinema Sonics" bietet eine rätselhafte Matrix aus Pop-Stilen. Von psychedelischen Sounds à la Jimi Hendrix über Heavy-Funk bis zur soften Pop-Melodie ist alles dabei. Verraten Sie mir das Passwort zu Ihrem Code?

Doug Wimbish: (lacht) Gerne. Ich wollte, dass dieses Album so viele Aspekte meines Lebens und meiner Karriere repräsentiert, wie es eben auf einem einzigen Album möglich ist. Ich wollte, fast wie im Musical, eine Geschichte mit Höhen und Tiefen erzählen und dafür das gesamte Spektrum der menschlichen Emotion abdecken. Genau dafür brauchte ich diese 'rätselhafte Matrix', wie Sie sagen. Aber welches Stück meinen Sie, wenn Sie 'softe Pop-Melodie' sagen?

Das kleine Bass-Instrumentalstück "Swirl".

Doug Wimbish: Nein, nein, nein. Für mich ist "Swirl" mehr, viel mehr. Es ist eine melodische Reflektion meines bisherigen Lebens! Warum? Ich will es Ihnen verraten: Es war der letzte Track, den ich für das Album komponierte an meinem letzten Tag in Prag. Der Endmix für das Album war gelaufen. Plötzlich saß ich allein im Studio. In Gedanken versunken nahm ich meinen Bass auf und meine Hände übersetzten die Gedanken in meinem Kopf. Das ist "Swirl", ein Track, der auf zauberhafte Weise erschienen ist.

Mein Lieblings-Song auf Ihrem neuen Album ist allerdings das finstere "Scary Man", gesungen von Bernard Fowler...

Doug Wimbish: ...auch ein Song, der plötzlich auftauchte! Allerdings woanders und viel früher. Ich saß zuhause in Connecticut, stöpselte meinen neuen Midi-Bass in mein Notebook ein und dudelte herum. Und da schwirrte dann diese finstere Basslinie durch den Raum. Die Basslinie malte unaufhörlich Bilder in meinem Kopf. Also schickte ich einen unfertigen Track zu Bernard Fowler, der seit 20 Jahren einer meiner engsten Freunde ist. Sein angsteinflößender Text und Gesang passen ausgezeichnet zu "Scary Man". Der Song ist ein gutes Beispiel, das beweist, dass Musik in einer Sphäre um uns herum ständig präsent ist.

Wie meinen Sie das?

Doug Wimbish: Wie ich es sage. Alle Musik ist schon da, um uns herum. Meine Verantwortung als Musiker liegt darin, sie wahrzunehmen und in eine musikalische Erzählung, einen Song, zu bringen. Ich gebe Ihnen ein anschaulicheres Beispiel: Im vergangenen Sommer war ich mit Tarja Turunen in Irland, um an ihrem Album zu arbeiten. Ich glaube nicht, dass es bloßer Zufall war, als mitten in den Proben nebenan in der Küche der Teepott zu pfeifen begann – in der richtigen Tonart!

Wenn wir mal die philosophischen und autobiographischen Aspekte beiseite lassen, ist Ihr Album mit einem Song wie Curtis Mayfields "Homeless" auch eine heftige Stellungnahme gegen soziale Ungerechtigkeit in den USA. Denken Sie, dass Ihr Sound bald milder werden kann, weil Barack Obama beste Chancen auf das Amt des US-Präsidenten zu haben scheint? Oder würden Sie, als Afro-Amerikaner, Obama etwa nicht wählen?

Doug Wimbish: Oh, wie gern würde ich Barack Obama als Präsident der USA sehen! Ich denke, jeder Demokrat bietet mehr Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit als ein Republikaner. Welche Seite auch immer gewinnt, oberste Priorität für den neuen Präsidenten sollte die Beendigung des Irak-Krieges sein... Und so möchte ich "Cinema Sonics" auch verstanden wissen: Als Plädoyer für Frieden und Verständigung zwischen allen Rassen und Religionen.

Sie haben mit den Rolling Stones auf deren Album "Bridges To Babylon" (1997) gespielt, ebenso auf diversen Solo-Alben von Mick Jagger, Ron Wood, Keith Richards und Charlie Watts. Jetzt spielt Darryl Jones den Bass bei den legendären Rockern. Haben Sie sich Scorcese's Film "Shine A Light" überhaupt angeschaut?

Doug Wimbish: Aber klar, den Film habe ich gesehen. Charlie hat mich angerufen und zur Premiere in New York City eingeladen. Es war spaßig, Bernard Fowler [Background-Sänger bei den Rolling Stones] und ich hingen nach dem Film noch etwas mit Keith ab. Ich habe es immer genossen mit den Rolling Stones zu spielen und schätze ihre Freundschaft. Allerdings war es richtig, dass ich einst abgelehnt habe, festes Mitglied der Rolling Stones zu werden.

Sie verblüffen mich. Wann war das?

Doug Wimbish: 1992. Mick fragte mich, ob ich interessiert wäre, zu den Rolling Stones zu stoßen. Aber ich war Bassist von Living Colour. Wir nahmen gerade das Album "Stain" auf. Unter Vernon Reid, Corey Glover und Will Calhoun fühlte ich mich als gleichberechtigtes Bandmitglied. Gleichberechtigt wäre ich bei den Rolling Stones niemals gewesen. Wie auch? Die Stones sind in den 1960ern verwurzelt. Niemand anderer als Mick, Keith, Charlie, Ronnie und Bill Wyman würden als gleichberechtigtes Bandmitglied akzeptiert werden. Mir ist einerseits klar, dass ich Teil der profiliertesten Band der Welt gewesen wäre. Aber andererseits hätte ich niemals die heute so enge musikalische Beziehung zu meinen Living-Colour-Kollegen entwickeln können. Übrigens sind wir gerade dabei, ein neues Album aufzunehmen.

Sie verblüffen mich schon wieder!

Doug Wimbish: Pssst. Ich habe schon zuviel gesagt. Nächste Frage, bitte. (lacht)

Okay. Sie stehen aktuell mit der finnischen Heavy-Metal-Sopranistin Tarja Turunen auf der Bühne, haben neben den Rolling Stones auch mit Madonna, Kanye West, Mos Def und vielen anderen Weltstars des Pop gearbeitet. Mit wem würden Sie nicht auf eine Bühne steigen?

Doug Wimbish: Ich verblüffe Sie gerne nochmal: Ich denke überhaupt nicht in einer Kategorie namens 'die, mit denen ich nicht zusammenarbeiten will'. In meinem Leben versuche ich, soviel positive Energie wie möglich zu produzieren und aufrecht zu erhalten, mit dem Ziel eine persönliche Gravitationskraft zu entfalten. Diese Kraft soll Freunde und auch Mitmusiker anziehen. Klar, auch ich muss mit persönlichen Dramen klar kommen, aber meine positive Energie, Aufrichtigkeit und Offenheit haben bisher immer gesiegt.

Also eine Frage mit positiver Energie. Ich gebe Ihnen jetzt einen magischen Wunsch frei: Mit wem würden Sie gerne auf eine Bühne steigen?

Doug Wimbish: Wenn genug Magie in Ihrem Wunsch wäre, würde ich mich für Jimi Hendrix entscheiden. Denn wenn ich zurückschaue, ist er es, der den größten Einfluss auf das hat, was ich komponiere und wie ich spiele. Und da ist noch einer aus der Gegenwart: Ich mag sehr, was ich von Gnarls Barkley höre [Amerikanisches Duo des Hip-Hop-Produzenten Danger Mouse mit Sänger und Goodie-Mob-Mitglied Cee-Lo Green und dem Überraschungs-Hit "Crazy", 2006].

Wann immer das neue Album von Living Colour erscheint, es wird Millionen Fans den Tag retten. Welche Musik rettet Ihnen den Tag?

Doug Wimbish: Wow, ja, ich habe ein paar Antworten: Funkadelic's erstes Album ("Funkadelic", 1970). Dann Jimi Hendrix' "Band Of Gypsys", auch 1970. Und Miles Davis' "On The Corner" (1972). Ganz wichtig ist mir auch "There's A Riot Going On" von Sly & The Family Stone (1971). Außerdem liebe ich alles von Bob Marley!

Mr. Wimbish, vielen Dank für das Gespräch. [vw]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


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