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[ << | Inhalt | >> ]Ausgabe #273 vom 10.12.2001
Rubrik Feature

Stille Zeit 2001

Weihnachten. Feierliche Zeit der Besinnung. Draussen ist "Winter Wonderland" und "Santa Claus Is Coming To Town". Dazu passende Musik unterstützt diese bezaubernde Stimmung, lädt zum Tanzen, Zurücklehnen oder Lachen ein. Schöne neue Welt. Die Musikindustrie hat sich leider wenig besonnen, greift auch dieses Jahr wieder zu altbewährtem, meist zu leicht Abgestandenem. Hier sind sie also, ein paar Warnungen und die schönen Ausnahmen, die mal wieder die Regel bestätigen. Mit denen wünschen wir euch viel Spass und friedliche Weihnachten. [pb]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Holly Cole "Baby, It's Cold Outside"

Leicht übermotiviertes Jazz X-Mas
(CD; Tradition & Moderne)

Es hätte vielleicht das Weihnachtsalbum dieses Jahres werden können. Holly Cole hat bereits über mehrere Alben bewiesen, dass sie eine außergewöhnliche Sängerin ist. Gerade Interpretationen fremder Songs sind ja ihre große Stärke. Und die Songauswahl bietet neben einigen Standards ("Sleigh Ride", "The Christmas Song") eine über das Übliche hinausgehende Breite ("Wildwood Carol", "What Is This Lovely Fragance"). Aber trotz alledem kommt "Baby, It's Cold Outside" nicht über den Status eines 'ganz netten' Albums hinaus. Zu sehr vergeht sich Holly Cole in Verkünstelungen, will etwas ganz Besonderes abliefern und schießt dabei über das Ziel hinaus. Während man bei Vince Guaraldis "Christmas Time Is Here" im Orginal die Schneeflocken tatsächlich zu sehen glaubt, hört man bei Cole eher einen tristen Herbstnachmittag. Und genau das ist, was dem Album fehlt: Stimmung, genauer: Weihnachtsstimmung. Dieses merkwürdige Gefühl zwischen Melancholie, Freude und Feierlichkeit. Schade. [pb]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Harry Allen "Christmas In Swingtime"

Swinging X-Mas
(CD; Koch Jazz)

Harry Allen und seine Band spielen sie alle, die Traditionals und Standards, von "O Christmas Tree" über "Have Yourself A Merry Little Christmas" bis "Winter Wonderland". Allens Saxophon ist dabei unaufdringlich einlullend und songdienlich, leider auch ein bisschen belanglos. Was diese CD über den Durchschnitt erhebt ist die cool groovend blubbernde Hammond von Larry Goldings. Wer es unter dem Weihnachtsbaum leicht jazzig mag, aber beim Geschenke auspacken von der Musik nicht durch besondere Kreativität gestört werden möchte, ist mit "Christmas In Swingtime" bestens bedient. [pb]


Dave Koz & Friends "A Smooth Jazz Christmas"

Aufzugsmusik X-Mas
(CD; Capitol)

Diese CD ist wie eine Weichzeichner-Fotografie. Aufzugsmusik. Und damit auch wieder ein typisch amerikanisches Weihnachtsalbum. Niemand braucht's, aber in den großen Einkaufsketten, von Wal Mart bis Tiffany, im Trump Tower und bei Macy's wird Dave Koz bis zum 24.12. wahrscheinlich an die zehntausend Mal gelaufen sein. Das interessiert niemanden in dem Gewühle, das tut niemandem weh – außer man hört aus Versehen auf die Musik, denn die ist so seicht, dass sie einem Musikliebhaber schon schmerzen kann. Fester Vorsatz für 2002: keine solchen Platten mehr! Bitte! [pb]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Destiny's Child "8 Days Of Christmas"

Plastiksoul X-Mas
(CD; Columbia)

Diese Platte ist MTV-Christmas. Ein Videoclip, der nicht auf Touren kommt und natürlich keine Geschichte erzählt. Diese Platte ist die Audioumsetzung von Actionkino. Effekte statt Plot, Maschinen statt Gefühle, und dass Stimmen-Vibratos und – zugegebenermaßen zumindest manchmal beeindruckende – Satzgesänge nicht gleich Soul bedeuten, beweisen die Damen hier über die komplette Albumlänge. Wahrscheinlich gibt es genug Destiny's Child-Fans, die sich die Wartezeit auf das nächste reguläre Album hiermit verkürzen wollen, Freunde von X-Mas-Alben können von "8 Days Of Christmas" getrost die Finger lassen. [pb]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Various "Verve Presents: The Very Best Of Christmas Jazz"

X-Mas Jazzmischung
(CD; Verve)

Nichts wirklich Neues bietet dieser als Nice Price-CD veröffentlichte Sampler. Aber Verve kann nun mal auf eines der besten Jazzarchive zurückgreifen, und so eignet sich diese Sammlung wunderbar, um einen weihnachtlichen Cocktail musikalisch zu untermalen. Von Ella Fitzgeralds Klassiker "Rudolph The Red-Nosed Reindeer" über Ramsey Lewis' grooviges "Here Comes Santa Claus" und John Coltranes "Greensleeves"-Interpretation aus den 60er Jahren bis zu Shirley Horns "Winter Wonderland" von 1996 bietet diese gute Dreiviertelstunde alles, was ein Jazzherz swingen lässt. Dazu kommt ein in diesem Preissegment eher ungewöhnlich informatives Booklet. Also den Smoking raus und für X-Mas einen echten Barkeeper engagieren. [pb]


Various "A Very Special Christmas 5"

Adultpop X-Mas
(CD; A&M)

Diese Serie geht 2001 in die fünfte Runde und die klaren Gewinner nach Punkten sind die schwarzen Musiker auf dem Album, obwohl Wyclef Jean die vielleicht schlimmste Version von "Little Drummer Boy" eingespielt hat. Während Jon Bon Jovi eine mäßige Elvis-Vorstellung ("Blue Christmas") bietet, Sheryl Crow "Run Rudolph Run" gelangweilt runterrotzt und selbst Tom Petty mit seinen Heartbreakers ("Little Red Rooster") nicht überzeugt, macht die Soul-, Funk- und HipHop-Riege die CD erträglich. Stevie Wonder & Wyclef Jean lassen "Merry Christmas Baby" ungewohnt grooven, B.B. King huldigt den "Back Door Santa" (übrigens in einer anderen Version als auf seinem eigenen Weihnachtsalbum) und City High berappen "O Come All Ye Faithfull". Unterm Streich bleibt trotz dieser Highlights ein mittelprächtiges Album, das ein weiteres Mal nicht an die Qualität von Volume eins und zwei heran kommt. Ein weiteres Mal heiligt vielleicht der Zweck die Mittel, unterstützt das "A Very Special Christmas"-Projekt doch die Special Olympics. [pb]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Various "O wie lacht - Deutschlands Comedians singen Weihnachtslieder"

Wenig lustige Comedy-X-Mas
(CD; BMG)

Wo man hinguckt Comedy, ein großer Teil davon nicht mal komisch, da musste sowas ja passieren: Deutschlands Comedians, also Rüdiger Hoffmann, Mike Krüger, Hella von Sinnen, Anke Engelke u.a. singen Weihnachtslieder. Sie eifern allem Anschein nach den großen amerikanischen Unterhaltungsstars nach, haben aber leider nicht deren Kaliber. Schlimmer als das: Sie wissen nicht, was sie wollen. So schwankt jede der 16 Einspielungen auf "O wie lacht" zwischen Entertainment und Komik, um sich dann für keins von beidem zu entscheiden. Einzig Jürgen von der Lippe überzeugt als Santa Sinatra, aber ein Hirte macht noch keine Krippe. Um den schlechten Höreindruck noch zu unterstreichen protzt das Cover mit keiner anderen Information als dem unnötigen "Aus der TV-Werbung"; die absolut perfekte, vielleicht sogar namhafte Kapelle wird mit keiner Silbe erwähnt. Das Ziel ist klar: "Süsser die Kassen nie klingeln", fallt also bitte nicht darauf herein. [pb]


Gerhard Polt "Abfent Abfent"

Bayerisches Satire X-Mas
(CD; Kein & Aber)

Wer's satirisch mag kurz vor'm Fest, sollte diese CD auf keinen Fall verpassen. Natürlich ist selbst Polt nicht in der Lage, ein komplettes Album mit neuem Weihnachtsmaterial zu füllen, und so finden wir auf "Abfent Abfent" zum Teil bereits Bekanntes, wenn auch in neuen Versionen (am bekanntesten ist wahrscheinlich "Nikolausi"). Aber selbst für eingefleischte Polt-Fans gibt es noch jede Menge Neues zu entdecken, und wer beim Hören dieser 14 "Nummern" nicht ab und zu laut lacht, versteht den Mann entweder nicht oder hat keinen Humor. Und Polt hat natürlich immer noch nichts mit dem zu tun, was man inzwischen "Comedy" nennt! Polt ist tiefsinnig, Polt ist treffsicher, Polt ist Kabarett. Gerhard Polt ist der richtige Mann für ein paar laute Lacher in der stillen Zeit. [pb]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


Susanne Ryden & Bell'Arte Salzburg "Seventeenth Century Christmas Eve"

Klassische X-Mas Arien
(CD; Winter & Winter)

Dieses wunderschön aufgemachte Album ist die definitive Alternative zum alljährlichen Weihnachtsoratorium von Bach. Dass auf die Musik aus den süddeutschen und österreichischen Musikzentren des 17. und 18. Jahrhunderts spezialisierte Ensemble Bell'Arte Salzburg hat zusammen mit der Sopranistin Susanne Ryden Musiken zu Weihnachten eingespielt. In historischer Aufführungspraxis musiziert, und – wie bei Winter & Winter üblich – exzellent in einer Villa in Italien aufgenommen, sind diese Arien von Komponisten wie Buxtehude, Rosenmüller, Schmelzer u.a. genau das richtige für einen schmuckvollen, festlichen Weihnachtsabend. [pb]


B.B. King "A Christmas Celebration Of Hope"

Bluesige X-Mas mit einer singenden Lucille
(CD; MCA)

Obwohl B.B. King seit Ende der 50er Jahre eine beeindruckende Karriere hinter sich hat, ist "A Christmas Celebration Of Hope" tatsächlich sein erstes Weihnachtsalbum. Das ist ungewöhnlich für einen amerikanischen Künstler dieses Kalibers, gehören doch "Holiday-Releases" schon fast zum guten Ton. Egal, für uns ist es gut, dass er sich so lange Zeit gelassen hat, denn in der Ruhe liegt die Kraft und B.B. King hat alles richtig gemacht. Mal leicht groovender Jazz, mal Big Band-R'n'B und natürlich echter Blues, das sind die musikalischen Vorgaben. Über allem liegt (natürlich) Lucilles (Kings Gitarre) unglaublicher Ton. Das Tracklisting ist einigermaßen einfallsreich, ein paar gern gehörte Standards, zum Teil in ungewöhnlichem Gewand ("I'll Be Home For Christmas" kommt als swingendes Jazzstück, "Auld Lang Syne" gar als Midtempo-Shuffle) gehören genauso zu Kings Programm wie selten gehörte Songs ("Blue Decorations") und Eigenkompositionen. So ist dem Altmeister des Blues ein echtes Highlight in einer eher flauen musikalischen Weihnachtszeit geglückt. Sehr schön. [pb]


Verweise auf diesen Artikel aus späteren Ausgaben:


The Asylum St. Spankers "A Christmas Spanking"

Unterhaltsames Vaudeville X-Mas
(CD; Bloodshot)

Die wahrscheinlich beste, bestimmt aber lustigste und unterhaltsamste Weihnachtsplatte dieses Jahr hat mal wieder in Deutschland keinen Vertrieb gefunden, aber in Zeiten des Internets sollte das für euch ja kein Problem sein.
Am 15. und 16.12.2000 in Houston bzw. Austin, Texas, live aufgenommen, haben die Lokalmatadoren um Wammo und Christina Marrs tief in die weihnachtliche Trickkiste gegriffen: "Silent Night" auf der singenden Säge, "Blue Christmas" nur auf der Ukulele begleitet, Vince Guaraldis "Linus And Lucy" in einer spanking Bandversion in der Besetzung Kontrabass, Waschbrett, Fiddle, Snare, Ukulele, Klarinette und Gitarre. The Asylum St. Spankers, das heißt 20-er Jahre Vaudeville mit leicht anarchistischen Zügen, unglaubliches musikalisches Können gepaart mit einem generösen Understatement und natürlich jede Menge Ausgelassenheit und Spaß.
Gleich der erste Song "You're A Mean One Mr. Grinch", den die Spankers innerhalb von drei Minuten als Swing, Ska, Bluegrass und in einer Countryversion spielen, macht klar, wo der Schlitten hinfährt, und wenn diese extrem kurzweilige, knappe Stunde vorbei ist, füllt man noch ein bisschen Eggnog in seine Elchtasse und drückt fast automatisch wieder auf Play. [pb]


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